Im Dezember 2023 präsentiert der österreichische Versöhnungsbund unter dem Titel „Frieden? – Aber sicher!“ einen Adventskalender als Setzkasten für den Frieden, ein Mosaik von militärischen und gesellschaftlichen Baustellen und gewaltfreien Lösungsansätzen für die Zukunft.
Friedenslogik statt Kriegslogik
Stell dir vor es ist Krieg und keine:r geht hin…
Es gibt viele Gründe, sich dem Dienst mit der Waffe zu entziehen: Eine pazifistische oder religiöse Grundhaltung, Antimilitarismus, die Angst, in Kriegsverbrechen verwickelt zu werden oder einfach die Angst vor dem Krieg selbst. Seit 1987 ist Kriegsdienstverweigerung ein von den Vereinten Nationen verbrieftes Menschenrecht, das allerdings in sehr vielen Ländern nicht anerkannt wird.
In der Ukraine wurde das Recht auf Kriegsdienstverweigerung seit dem 24. Februar 2022 ausgesetzt. Schon vor dem Krieg war dieses Recht nur Mitgliedern von zehn kleinen Religionsgemeinschaften zugänglich. Seit Beginn des Krieges hat der ukrainische Grenzschutz mehr als 20.000 wehrpflichtige Männer an der Flucht gehindert. Für die Ergreifung der Flüchtenden werden auch Drohnen eingesetzt. In der EU, Norwegen, der Schweiz und Liechtenstein sind über 650.000 ukrainische Männer zwischen 18 und 64 Jahren als Flüchtlinge registriert. Die Zahl der geflüchteten militärdienstpflichtigen Männer aus Russland wird auf über 250.000 geschätzt. Kriegsdienstverweigerer*innen drohen in Russland mehrjährige Haftstrafen. Derzeit fällen die russischen Gerichte rund 100 Urteile pro Woche, mit steigender Tendenz.
Wir fordern von der russischen, der ukrainischen und der belarussischen Regierung, die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern einzustellen! Wir fordern von den EU-Ländern Schutz und Asyl für russische, belarussische und ukrainische Kriegsgegner*innen!
Dafür führen wir am 5. Dezember anlässlich des Tages der Menschenrechte (10. Dezember) eine Email-Kampagne durch. Alle sind eingeladen, dabei mitzuhelfen! Bitte kommt am 5. Dezember ab 18h ins Büro des Versöhnungsbundes!
Im Dezember 2023 präsentiert der österreichische Versöhnungsbund unter dem Titel „Frieden? – Aber sicher!“ einen Adventskalender als Setzkasten für den Frieden, ein Mosaik von militärischen und gesellschaftlichen Baustellen und gewaltfreien Lösungsansätzen für die Zukunft.
Friedenslogik statt Kriegslogik
Neutralitätswidrige Waffenlieferungen an die Ukraine
Aus der Website des österreichischen Parlaments: „Neutralität kann man im internationalen Kontext auch als „Unparteilichkeit“ eines Staates bezeichnen. In einem bewaffneten Konflikt leistet ein neutraler Staat keine direkte oder indirekte militärische Unterstützung an Konfliktparteien.“
Konträr dazu hilft Österreich indirekt bei der Aufrüstung der Ukraine mit, und zwar durch seine Beiträge an die so genannte EU-Friedensfazilität, deren Budget durch Aufstockungen von 2021-2027 insgesamt 12 Milliarden Euro beträgt (statt 5 Mrd. Euro wie ursprünglich veranschlagt). Mit der FRIEDENS(!)fazilität wird die militärische Ausrüstung von EU-Partnerländern finanziert.
Zahlreiche Friedenspläne zur Beendigung des Krieges, in dessen Verlauf sich die Kriegsparteien in einen zermürbenden Stellungskrieg verfangen haben, wurden bereits vorgelegt (vgl. Spinnrad 1/2023 „Friedensansätze zur Beendigung des Ukraine-Krieges von außerhalb Europas„). Weltweit fordern zivilgesellschaftliche Organisationen einen sofortigen Waffenstillstand und einen Friedensprozess. So geschehen am „International Summit for Peace in Ukraine“ im Juni dieses Jahres.
Frieden ist ein Menschenrecht, Krieg ein Verbrechen gegen die Menschheit. Die Stellungnahme des Versöhnungsbundes zum Krieg in der Ukraine mit Empfehlungen an die österreichische Politik findet ihr HIER!
Im November und Dezember konnten bei uns Geschenke zur Unterstützung unserer Arbeit erworben werden.
Friedenslogik statt Kriegslogik
Krieg und Kriegsvorbereitung setzen 5-6 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen frei. Damit verursacht der militärische Sektor doppelt so viele Emissionen wie ganz Afrika, das besonders von der Klimakatastrophe betroffen ist. Anstatt dieses Missverhältnis abzuschwächen geben die Regierungen weltweit sechsmal mehr Geld für das Militär als für den Klimaschutz aus.
Der Klimawandel verursacht Konflikte um Lebensraum, Wasser, Nahrung und Energie. Diese Konflikte werden in Zukunft rasant zunehmen und sind militärisch nicht zu lösen, im Gegenteil: Aufrüstung und Krieg beschleunigen den Klimawandel. Eine massive Kürzung der Finanzmittel für das Militär und deren Umschichtung hin zum Klimaschutz und zur Abmilderung der Folgen des Klimawandels würden mehr zur Sicherheit beitragen als jeder Panzer und jedes Kampfflugzeug.
Länder des Südens beginnen umzudenken. Die kolumbianische Außenministerin Francia Márquez forderte bei der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz einen entmilitarisierten Ansatz in Sicherheitsfragen: „Es ist nicht gut, weiter darüber zu streiten, wer in einem Krieg verliert und wer gewinnt. Wir haben alle verloren, und wer in einem Krieg verliert, ist die Menschheit“.
Wir können auf Kriege verzichten! Militär und Aufrüstung verschwenden Ressourcen und zerstören Klima und Umwelt. Das Militär zerstört das, was es vorgibt zu schützen – die Lebensgrundlagen der Menschheit.
Mehr Informationen dazu veröffentlichten wir 2021 in unserer Kampagne Klimaziel:Frieden.
Friedenslogik statt Kriegslogik
Vom Gleichgewicht des Schreckens zur gemeinsamen Verantwortung
Was 1945 mit den ersten Tests und den Abwürfen der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki begann, entwickelte sich über die folgenden Jahrzehnte systematisch weiter. Ein zwischenstaatliches Zusammenleben auf Grundlage des Untergangs aller Seiten, genannt „nukleare Abschreckung“, das uns den Frieden sichern sollte. Doch welcher Frieden kann das sein, der auf diesem vergifteten Boden Wurzeln schlägt, tief verankert in der Logik des Krieges?
Das „Gleichgewicht des Schreckens“ forderte viele Opfer, nicht nur als die USA in einer Kriegshandlung zwei Atombomben auf Japan fallen ließen. Weitere Zerstörung von Menschenleben und Natur gab es in den Testgebieten, in New Mexico und auf dem Bikiniatoll, in Semipalatinsk, auf den Marshall Inseln, in Australien, Algerien, der Wüste Gobi… Keine Spur von einem gerechten, einem nachhaltigen Frieden kann man erkennen, wenn Geld in Aufrüstung und Modernisierung von Atomwaffenarsenalen anstatt in Soziales und die Erhaltung des Lebens auf der Erde gesteckt wird. Und auch nicht, wenn Menschen in früheren Testgebieten mit den Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die Natur und dem radioaktiven Müll allein gelassen werden.
Als ein Ansatz zur Regulierung und um dem weltweiten Wettrüsten Einhalt zu gebieten trat 1970 der Nukleare Nichtverbreitungsvertrag in Kraft. Dieser beinhaltet sowohl die Verpflichtung jener Staaten, die keine Atomwaffen besitzen, diese auch nicht zu entwickeln oder zu erwerben, als auch die Verpflichtung der Atommächte ihre Arsenale abzubauen.
Einen erheblichen Schritt weiter machte der 2017 in der UNO-Generalversammlung angenommene Atomwaffenverbotsvertrag. Ihm voraus ging ein auch von der Zivilgesellschaft initiiertes Bemühen der Diskursänderung, bei der nicht mehr taktische und kriegslogische Aspekte von Atomwaffen, sondern ihre humanitären Konsequenzen in den Mittelpunkt gestellt werden. Neben dem umfassenden Verbot von Atomwaffen beinhaltet Artikel 6 außerdem eine Verpflichtung zur Hilfe für die Opfer des Einsatzes oder der Tests von Atomwaffen und zur Sanierung kontaminierter Gebiete.
Letzte Woche fand die zweite Überprüfungskonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags in New York statt. Hintergründe und Dokumente findet ihr hier: https://reachingcriticalwill.org/disarmament-fora/nuclear-weapon-ban/2msp
Der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein Beispiel dafür, wie sich die Staatengemeinschaft und die Zivilgesellschaft von der Logik des Krieges distanzieren und engagiert eine Politik der gemeinsamen Verantwortung betreiben kann. Weil wir alle auf dieser Welt leben, müssen wir alle Verantwortung übernehmen.
Friedenslogik statt Kriegslogik
FORSCHEN FÜR DEN FRIEDEN
Immer wieder stellt sich die Wissenschaft in den Dienst von Militär und Rüstungsindustrie. Öffentlich bekannte, aber auch geheime, Forschung an Universitäten und Bildungseinrichtungen ist finanziell attraktiv. Sie verankert so jedoch nicht nur den Militarismus in der Gesellschaft, sondern bindet auch Expertise, die dann in anderen Bereichen fehlt.
Einige wissenschaftliche Einrichtungen verwehren sich diesem Zugriff durch eine selbst auferlegte Verpflichtung, diese Forschungsanfragen aus dem Bereich Rüstung und Militär auszuschlagen. Die sogenannte „Zivilklausel“ wird oft auf Bestreben engagierter Forscher:innen, Lehrender und Studierender eingeführt.
Darüber hinaus braucht es außerdem die nötigen Ressourcen und den Raum um Friedens- und Klimagerechtigkeitsforschung fest zu verankern, damit die Wissenschaft ihre Möglichkeiten für einen nachhaltigen und sicheren Frieden voll ausschöpfen kann. Die „Forschung für das Leben“, und nicht für Machtinteressen und Militär, ist eine wichtige Säule für eine gesicherte, friedlichere Zukunft!
Aufträge von Rüstungsindustrie und Militär an die Wissenschaft dienen nicht dem Frieden und dem Fortbestand unseres Planeten. Wir brauchen die geistigen Ressourcen und Forschungsgelder um unser Überleben und ein gutes Zusammenleben abzusichern!
Friedenslogik statt Kriegslogik
Der Vorwurf an pazifistische Menschen lautet oft: Soll man denn nichts tun? So durchdrungen von der Logik der Gewalt ist die breite gesellschaftliche Wahrnehmung, dass Widerstand abseits der Waffe und des Militärischen fast ausgeblendet oder als halbherzig und chancenlos abgetan wird.
Dabei gab es bereits in den 1960er Jahren Bemühungen ein Konzept einer sozialen anstelle einer militärischen Verteidigung zu entwickeln. Ihre Ideen und Grundlagen beziehen sich auf gelebte Erfahrungen, u.a. auf den gewaltfreien Widerstand in Indien und die Methoden des Civil Rights Movement in den USA, sowie auf den Widerstand Dänemarks und Norwegens gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg.
Um den Vorwurf der Passivität und das enge Korsett eines rein militärisch gedachten Widerstands abzuwerfen gilt es, die Beispiele erfolgreichen gewaltfreien Handelns (Lesetipp: „gewaltfrei wirkt. Erfolge der Gewaltfreiheit“, Broschüre der deutschen Sektion von Pax Christi) zu verbreiten und auf ihnen aufbauend Strategien und Möglichkeiten weiterzuentwickeln. Die Courage norwegischer Lehrer:innen, die 1942 den Unterricht der Nazi-Ideologie in Schulen verhinderten, die gewaltfreie Überwindung der Diktatur auf den Philippinen 1986, die Revolution in Tunesien 2011 und viele Erfahrungen mehr sind Grundlage und Hilfe bei unseren Bemühungen einer Diskurs- und Wahrnehmungsänderung.
Eine Hinwendung zu einer umfassenden Kultur des Friedens muss die Logik einer militärisch gedachten Verteidigung überwinden. Wer Frieden will, muss am und für den Frieden arbeiten, auch und gerade wenn man mit einem gewalttätigen Gegenüber konfrontiert ist. Die Wahl der „Art der Auseinandersetzung“ sollte nicht einseitig von gewaltbereiten Parteien getroffen werden dürfen.
Friedenslogik statt Kriegslogik
Aufrüstung statt Abrüstung?
Mit 2,04 Billionen Euro im Jahr 2022 sind die weltweiten Militärausgaben so hoch wie noch nie. Europa gibt so viel für Rüstung aus wie im Kalten Krieg. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat dabei die Büchse der Pandora geöffnet, auch in Österreich. Die Regierung hat beschlossen, das Militärbudget bis 2032 zu verdoppeln, Deutschland hat ein Sonderbudget für das Militär von 100 Milliarden Euro veranschlagt. Nicht zufällig zählen die Länder mit den höchsten Militärausgaben auch zu den größten Emittern von Treibhausgasen.
Die Hoffnungen auf eine signifikante weltweite Abrüstung nach dem Ende des Kalten Krieges haben sich nicht erfüllt. Die Vereinten Nationen haben als Forum für Abrüstung völlig an Bedeutung verloren, die Genfer Abrüstungskonferenz, das einzige durch die UN-Generalversammlung anerkannte weltweite Abrüstungsforum, ist seit Jahrzehnten blockiert.
Erfolge konnten außerhalb der UN erreicht werden, indem sich Staaten zusammengeschlossen haben, die besonders grausame Waffen verbieten möchten und die dauerhafte Blockade einiger Staaten umgehen wollten. So wurden Verbotsverträge für Anti-Personen-Minen (1999) und von Streumunition (2010) ausgehandelt. Österreich hat in beiden Prozessen eine führende Rolle eingenommen. Österreich setzt sich auch für völkerrechtsverbindliche Regeln für autonome Waffensysteme ein.
Wir fordern dringend eine Wiederaufnahme weltweiter Abrüstungsbemühungen zugunsten der Verhinderung des Kollapses des Klimas und der konstruktiven, zivilen Konfliktbearbeitung.
Friedenslogik statt Kriegslogik
Hurra! Die innovative Superdrohne ist endlich da!?
Die vollelektrische Schwerlastdrohen kann 200 kg tragen, ist so groß wie ein Kleinwagen und kann Torpedos abwerfen. Sie soll für die U-Boot-Kriegsführung, zur Minenabwehr und für die Evakuierung von Verwundeten eingesetzt werden. Vorgestellt wurde die Drohne bei der Nato-Übung REPMUS (Robotic Experimentation and Prototyping with Maritime Unmanned Systems) im Sommer dieses Jahres.
Von voll vernetzten High-Tech-Soldat:innen mit Smart Watch, Zieloptik, Datenbrille und smartem Zielfernrohr, über unbenannte Panzer, Laserkanonen bis hin zu Hyperschallwaffen, den Wünschen der militärischen Planer:innen sind kaum noch Grenzen gesetzt. Gerald Karner, Generalstabsoffizier und Militärexperte, meint dazu: „Von Militärschlägen aus dem Weltraum über neue strategische Waffensysteme bis zu Cyberwar: Moderne Technologien machen Kriege wahrscheinlicher und die Konflikte potenziell zerstörerischer.“
Auch vollautonome Waffensysteme existieren bereits bzw. können alte Systeme nachgerüstet werden. Sie durchlaufen den Entscheidungszyklus zur Erfassung und Bekämpfung eines Zieles ohne menschliche Kontrolle oder Aufsicht. Sie werden noch nicht gegen Menschen eingesetzt. Die internationale Kampagne „Stop Killer Robots“ setzt sich für ein internationales Verbot von autonomen Waffensystemen, die gegen Menschen gerichtet sind, ein.
Krieg ist ein Verbrechen. Damit die Menschheit nicht auch noch die Kontrolle über den Einsatz militärischer Gewalt verliert, unterschreibt die Petition zum Verbot von Killerrobotern!
Wir haben Mitglieder und Freund:innen des Versöhnungsbundes zur Weihnachtsfeier am 12.12.2023 eingeladen.
Friedenslogik statt Kriegslogik
Ade KSE…
Nach jahrelangen vergeblichen Verhandlungen gelang es den NATO- und Warschauer Pakt-Staaten 1990 den „Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa“ abzuschließen. Man einigte sich auf die Reduzierung schwerer Waffen vom Atlantik bis zum Ural. 50 000 Waffen – Kampfpanzer, Kampffahrzeuge, Artillerie, Kampfflugzeuge etc. – wurden entfernt, z.T. verschrottet, aber leider auch nur verlegt oder verkauft.
1999 wurde der KSE-Vertrag auf Grund der veränderten politischen Situation in Europa (NATO-Erweiterung) angepasst (Adaptierter KSE, A-KSE), das Abkommen wurde von Russland, Belarus, der Ukraine und Kasachstan 2004 ratifiziert. Die NATO-Staaten ratifizierten den Vertrag nicht, da die an die Ratifizierung geknüpften Bedingungen (Abzug russischer Truppen aus Transnistrien, Südossetien und Abchasien) von Russland nicht erfüllt wurden. Damit trat der überarbeitete Vertrag nicht in Kraft. Russland setzte die Implementierung des Vertrags 2007 außer Kraft. Am 7. November 2023 trat Russland endgültig aus dem KSE-Vertrag aus, woraufhin auch NATO-Staaten den Vertrag suspendierten.
Der KSE-Vertrag war nicht nur ein wichtiges Instrument zur Rüstungskontrolle und für die gemeinsame Sicherheit in Europa, sondern förderte auch das Vertrauen zwischen Staaten.
Der Weg der Sicherheit gegeneinander ist ein Irrweg auf Kosten der Bevölkerungen. Trotz – oder gerade wegen – des Ukrainekrieges muss eine gemeinsame Friedens- und Sicherheitsarchitektur in Europa neu entwickelt werden.
Friedenslogik statt Kriegslogik
Kaum ein Begriff ist so umstritten und wird so inflationär und willkürlich gebraucht wie das Kampfwort „Terrorismus“. Die Bezeichnung von gewaltfreien, tief besorgten jungen Menschen als „Klimaterroristen“ gibt davon Zeugnis. Zudem hat schon so mancher Mensch eine „Karriere“ vom gefeierten Mudschahed zum Terroristen oder umgekehrt vom geschmähten Terroristen zum Friedensnobelpreisträger hingelegt. Ob Guerilla-Kämpfer:innen, Rebell:innen, Milizionär:innen oder Soldat:innen – Mord bleibt Mord und Gräueltaten bleiben Gräueltaten, egal unter welchem „Mäntelchen“, egal ob staatlich angeordnet oder nicht.
Seit 9/11 haben die USA 8 Billionen Dollar für den „War on Terrorism“ ausgegeben. Der Krieg kostete bis 2020 über 900.000 Menschen das Leben. Dieser Krieg hat auch einer Verrohung den Weg bereitet. „Terroristen“ gelten als das Böse schlechthin, das aus der Welt ausgemerzt werden muss, Menschenrechte werden außer Kraft gesetzt, der Tod von Unschuldigen wird als „Kollateralschaden“ vermerkt.
Dass man auch mit „Terrorist:innen“ verhandeln kann, belegt der Friedensprozess zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillagruppe FARC, der 2016 in einen Friedensvertrag mündete. Ob es gelingt, die verbleibenden bewaffneten Gruppen aufzulösen wird auch davon abhängen, ob die kolumbianische Regierung die grassierende Armut und Perspektivenlosigkeit lindern und die Zivilgesellschaft stärken kann.
Der „Kampf gegen Terrorismus“ ist gescheitert. Dass vor allem in marginalisierten Ländern bewaffnete Milizen Zulauf haben, ist kein Zufall. Mehr Gerechtigkeit, die Stärkung der Zivilgesellschaft, insbesondere der Frauen, könnte ein erfolgreicherer Weg sein, um der Gewalt zu begegnen. In Projekten des Friedensaufbaus wären die 8 Billionen Dollar wohl besser investiert gewesen.
Menschliche statt militärischer Sicherheit
Ein Sicherheitskonzept für alle
Traditionell bezieht man sich mit dem Begriff „Sicherheit“ auf die territoriale Unversehrtheit von Staatsgebieten, die militärisch geschützt werden müssen. In den letzten Jahrzehnten beschäftigen sich die Sicherheitsstrategien vieler Staaten oder der Europäischen Union allerdings mit vielfältigen Herausforderungen und Bedrohungen, von internationaler Kriminalität über Terrorismus, Flüchtlingsströme, Cyber-Angriffe, Hungersnöte bis hin zum Klimawandel. Die Analysen sind dabei oft sehr präzise, die Lösungsansätze dürftig. Sie laufen auf Aufrüstung und Militarisierung hinaus. Völlig außer Acht gelassen wird, dass Aufrüstung und Militär zu Verschärfung von Bedrohungen wie dem Klimawandel beitragen. Ausgespart wird auch die Frage, in welchem Ausmaß die massive Rüstung den Zugang zu Waffen für illegale Milizen erleichtert.
„Die Welt kann niemals in Frieden leben, wenn die Menschen in ihrem täglichen Leben keine Sicherheit haben. Künftige Konflikte werden oft eher innerhalb von Nationen als zwischen ihnen ausgetragen – ihre Ursachen liegen tief in der wachsenden sozioökonomischen Benachteiligung und Ungleichheit. Die Suche nach Sicherheit in einem solchen Milieu liegt in der Entwicklung, nicht in Waffen.“ Mit diesen zukunftsweisenden Sätzen beginnt der „Human Development Report“ 1994, der das Konzept der „Menschlichen Sicherheit“ einführte. Dieses Konzept stellt den Schutz des Individuums in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die charakteristischen Elemente der menschlichen Sicherheit sind die Freiheit von Not, die Freiheit von Angst und das Recht, in Würde zu leben.
Mit unserem Programm „Frieden ist möglich. Aber sicher!“ gießen wir das Konzept der menschlichen Sicherheit in konkrete Vorschläge für eine Friedensstrategie für Österreich und die Europäische Union. Sky Shields, Blockbildung und der Aufbau von „Festungen“ werden keine Sicherheit bringen, sondern die gemeinsame Bewältigung von seit geraumer Zeit anstehenden Herausforderungen wie Armut, Ungerechtigkeit und Klimawandel.
Militärische Sicherheit ist nicht dazu gedacht, Individuen zu schützen, sondern Privilegien einiger Weniger. Für den Großteil der Menschheit vergrößern Waffen die Unsicherheit. Menschliche Sicherheit stellt die Menschenrechte und die Würde des einzelnen Menschen in den Mittelpunkt.
Menschliche statt militärischer Sicherheit
Lass dich ausbeuten oder stirb
„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen“, so der US-amerikanische Unternehmer Warren Buffett. Laut Forbes-Liste verfügen die Milliardäre dieser Welt über ein Vermögen von 12,2 Billionen USD. Keine Auskunft gibt Forbes darüber, wie viel Prozent dieses sagenhaften Vermögens durch ungerechte Löhne in der gesamten Lieferkette oder viel zu geringe Preise für Rohstoffe, insbesondere wenn sie aus ärmeren Ländern stammen, zustande gekommen sind. Die Einkommensunterschiede haben seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts deutlich zugenommen. Doch die soziale Dimension ist bei weitem nicht das einzige Problem. Reiche Menschen tragen unproportional mehr zum Klimawandel bei als Arme, und zwar nicht nur durch ihren Lebensstil, sondern vor allem auch durch Investitionen in klimaschädliche Wirtschaftssektoren.
Dem Reichtum sind keine Grenzen gesetzt, der Armut schon. Kein oder ein schlechter Zugang zur Gesundheitsversorgung, unzureichende Kleidung, ungeheizte Wohnungen, Obdachlosigkeit, chronische Unterernährung etc. – 735 Millionen Menschen haben zu wenig zum Essen, alle 13 Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Hunger. Wer beim Thema Armut und Ausbeutung nur an Länder des Globalen Südens denkt, liegt falsch. Im Mutterland des Kapitalismus Großbritannien mehren sich die Todesfälle auf Grund von Ausbeutung und sozialer Ausgrenzung. Der Paketzusteller DPD belegte den Kurier Don Lane, der unter Diabetes litt, wegen eines Arzttermins mit einer Geldstrafe. DPD übt enormen Druck auf die Kuriere aus, ihre Pakete in der vorgegebenen Zeit auszuliefern. Wenn sie ihre Runde nicht schaffen, werden ihnen Gebühren verrechnet. Aus Angst vor weiteren Geldstrafen sagte Don Lane Arzttermine ab. Don Lane brach Ende Dezember 2017 zum wiederholten Male zusammen, nachdem er im Weihnachtstrubel auch noch krank geworden war. Er starb am 4. Jänner 2018. Paketzusteller werden bei DPD als selbständige Franchisenehmer behandelt und erhalten weder Urlaubs-noch Krankengeld. Der 57-jährige Errol Graham, der behindert war und eine lange Vorgeschichte psychischer Erkrankungen hatte, verstarb nur wenige Monate nachdem ihm das Department for Work and Pensions das Arbeitslosen- und Wohnungsgeld gestrichen hatte. Er verhungerte. Als man ihn auffand, wog er gerade noch 28,5 kg.
Dass in Österreich die Frage nach Gerechtigkeit, zu der reiche Menschen mehr beitragen sollen, immer wieder mit dem Argument des „Neides“ abgewürgt wird, ist angesichts der Tatsache, dass zehntausende Menschen ihre Wohnung nicht ausreichend heizen können, menschenverachtend.
Die Zeit der Almosen sollte eigentlich vorbei sein. Es gibt zahlreiche ethische Wirtschaftsmodelle, die das Wohl des Menschen und der Umwelt in den Mittelpunkt stellen. Das Ziel ist nicht die Vermehrung von Kapital, sondern ein gutes Leben für alle. Ein Bedingungsloses Grundeinkomme (BGE) würde ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und erwerbslose Menschen von der Willkür des Staates befreien. Global gesehen wären gerechte, nachhaltige und solidarische Wirtschaftsbeziehungen zielführender als einerseits auf Ausbeutung zu bauen und andererseits einen Bruchteil des ungerecht erwirtschafteten Profits als „Entwicklungshilfe“ an arme Länder zurückfließen zu lassen.
Armut und Hunger sind menschengemacht. Gerechte Entlohnung und gerechte Wirtschaftsbeziehungen sowie ein Sozialstaat, der den Namen verdient, sind gefragt. Aus dem Grundeinkommen-Volksbegehren 2019: „Aus dem Blickwinkel der Care Ethik ist das BGE eine Möglichkeit, Machiavellische Gesellschaftsstrukturen aufzuweichen und Menschen in solidarischem Handeln wieder näher zu bringen!“
Menschliche statt militärischer Sicherheit
Rohstoffwende jetzt!
Die Umstellung auf so genannte erneuerbare Energien, die Industrie, der IT-Bereich, Mobilität u.v.m. verbrauchen ungeheure Mengen an metallischen Rohstoffen, die aber nur begrenzt vorhanden sind. Der Abbau dieser Rohstoffe verursacht meist gravierende Umweltschäden, Böden, Wasser und Luft werden vergiftet, Wälder gerodet. Zudem benötigt der Bergbau ungeheure Mengen an Wasser, das aus Flüssen oder in Form von Grundwasser der Umwelt entzogen wird. Der Bergbau geht oft mit sozialer Ausbeutung und auch mit schweren Menschenrechtsverletzungen einher.
Die europäische Rüstungsproduktion braucht zumindest 37 verschiedene Metalle und 6 Seltene Erden, allerdings sind die die Angaben aus Gründen der Geheimhaltung ungenau. Die Hälfte dieser Metalle muss von außerhalb der EU importiert werden, 16 zählen überhaupt zu den kritischen Rohstoffen. Weisen Politiker*innen und Militärs auch deshalb immer wieder darauf hin, dass die Freiheit des Handels und die Offenheit der Handelsrouten vom Militär zumindest überwacht werden müssen?
Für viele Länder des Globalen Südens ist der metallische Bergbau ein zentraler Wirtschaftssektor. Seit einiger Zeit gibt es einen Trend zur strikteren Regulierung des Bergbaus (z.B. Exportstopps für unverarbeitete Rohstoffe oder die Verstaatlichung der Vorkommen). Angeregt durch zivilgesellschaftlichen Protest haben Länder auch Abbauverbote bestimmter Rohstoffe oder ein Verbot bestimmter Abbaumethoden (z.B. Tagebau) erlassen.
Es ist höchste Zeit für eine Rohstoffwende, der Abbau und der Handel mit Rohstoffen muss massiv verringert werden. Ein guter Anfang kann bei Produkten gemacht werden, die den Menschen schaden und nicht nützen, allen voran kann auf die Produktion von Kriegsgerät verzichtet werden.
Menschliche statt militärischer Sicherheit
Über Vertreibung und Zurückweisung
Noch nie zuvor in der Geschichte waren so viele Menschen auf der Flucht, Mitte des Jahres 2023 waren es 110 Millionen Menschen, die durch Krieg, Gewalt, Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen etc. vertrieben wurden. Die meisten Menschen überschreiten allerdings keine internationale Grenze, 57 Prozent der Flüchtlinge sind intern Vertriebene. Für Intern Vertriebene gibt es kein internationales Instrument, die Genfer Flüchtlingskonvention bietet ihnen keinen Schutz. Zuständig ist der eigene Staat, der den Schutz oft nicht gewährleisten will oder kann. Drei Viertel aller Intern Vertriebenen leben in nur zehn Staaten: Syrien, Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo, Ukraine, Kolumbien, Äthiopien, Jemen, Nigeria, Somalia und Sudan.
Weltweit lag die Zahl der Menschen, die ihr Heimatland verlassen hatten, Mitte 2023 bei 36,4 Millionen. Das stellt eine Verdoppelung der Flüchtlingszahl während der letzten sieben Jahre dar. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien, Afghanistan und der Ukraine. Die Länder mit den höchsten Aufnahmezahlen sind der Iran, die Türkei und Deutschland. Die Europäische Union betreibt Flüchtlingsabwehr um jeden Preis: Militärinterventionen in der Sahel-Zone, Push-Backs, die Aufrüstung der berüchtigten libyschen Küstenwache und die Behinderung und Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung. Seit 2014 sind mindestens 28.217 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Das alles unter den Augen oder mit Hilfe der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Dieses Jahr haben sich die EU-Mitgliedsstaaten zudem auf eine Verschärfung des gemeinsamen Asylsystems verständigt.
Nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen Klimaflüchtlinge, deren Zahl in der Zukunft zunehmen wird. António Guterres stellte bereits 2009 fest: „Der Klimawandel könnte zum Hauptfluchtgrund werden. Er verstärkt den Wettstreit um die Ressourcen – Wasser, Nahrungsmittel, Weideland – und daraus können sich Konflikte entwickeln.“ Bereits jetzt leben 60 Prozent der Flüchtlinge in von der Klimakrise am meisten gefährdeten Ländern.
Besonders bedenklich ist die Verbindung von der Hilfe gegen die Folgen des Klimawandels und der Ausweitung des militärischen Einflussbereichs einiger Länder, wie zum Beispiel in der pazifischen Inselregion, die durch den Klimawandel besonders gefährdet ist. So hat China mit den Salomonen einen „Sicherheitspakt“ abgeschlossen und Australien mit Tuvalu.
Die Zahl der Flüchtenden steigt weltweit, die Klimakrise wird die Situation noch verschärfen. Vor der „Festung Europa“ sterben viel zu viele Menschen, Initiativen der zivilen Seenotrettung bemühen sich trotz Schikanen und Kriminalisierung, Menschenleben zu retten.
Eure Spende für den Frieden
ES IST ALLES NOCH DA, auch wenn man es nicht meinen möchte, richtet man sich nur nach den Mainstream-Nachrichten. Da scheint eine Krise nach der anderen mit allen grausamen Details abgehandelt zu werden, bis sie durch die nächste große Katastrophe abgelöst und vergessen wird.
Wir aber betreiben keine Konflikt-Schau, sondern bleiben mit unserer Arbeit zur aktiven Gewaltfreiheit auch dann am Ball, wenn sich die Kameras der Welt weitgehend abwenden. Weil es Menschen gibt, die darauf zählen.
- Wir betreiben weiterhin Unterstützungsarbeit für die Rechte von Kriegsdienstverweigerern in Russland, der Ukraine und Belarus.
- Wir begleiten schon seit Jahren Menschen in Kolumbien, die für ihr Recht auf Land und ein Leben in Würde eintreten. Auch wenn die Umstände wieder schwieriger werden.
- Wir stehen in Kontakt und beraten uns mit Versönungsbund-Zweigen in den Konfliktgebieten und ihren Nachbarländern, berichten von Erfahrungen aus dem Sudan & Südsudan, aus Bethlehem und anderen Brandherden der Welt um den engen Blick zumindest ein bisschen zu weiten.
- Wir sind in Österreich eine konsequente Stimme, die sich für einen anderen, nachhaltigen Sicherheitsbegriff jenseits des militärischen einsetzt, auch weil wir uns ob des massiven Ressourcenverbrauchs und Treibhausgasausstoßes Krieg und Militär nicht mehr leisten können.
- Ein wesentliches Klimaziel muss „Frieden“ heißen, auch dafür sind die Stimmen noch zu leise und werden oft von Kriegsgegröle übertönt, was unsere Arbeit noch herausfordernder macht.
- … und noch so viel mehr.
Kurzum: Unsere Arbeit wird immer mehr, unser Wunsch konsistente, verantwortungsvolle Friedensarbeit zu leisten führt dazu, dass unsere Ressourcen gestreckt und überspannt werden.
Wir bitten euch darum uns zum Jahresende ein kleines Weihnachtsgeschenk der Unterstützung zukommen zu lassen, damit wir auch in eurem Namen weiter aktiv für den Frieden eintreten können. Momentan zählt für uns jeder Beitrag um unsere Arbeit in diesem weiten Blick fortführen zu können!
Menschliche statt militärischer Sicherheit
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag es im Interesse der beiden Weltmächte UdSSR und USA, Einfluss im sogenannten „Globalen Süden“ zu gewinnen. So überraschte Harry Truman bei seiner zweiten Antrittsrede die Weltbevölkerung mit dem „Point Four Program“, welches Freiheit mit Entwicklungshilfe in Zusammenhang brachte: mehr Produktion und Hilfe für die Ärmsten der Armen sollen zu Wohlstand und Demokratie in den „unterentwickelten“ Regionen beitragen. Obwohl diese Hilfe ursprünglich in Form von Wissensaustausch gelingen sollte, leben heute noch immer 1,3 Milliarden Menschen in extremer Armut. Doch eine Frage stellt sich: waren diese Regionen tatsächlich unterentwickelt, oder war dieser Begriff von den zwei Weltmächten auferlegt? Es ging nämlich nie darum, den Menschen beim Aufbau ihres Lebens nach ihren eigenen Vorstellungen zu helfen, sondern die Menschen mit einer Fortschrittsvorstellung á la Europa und USA zu indoktrinieren, was zu einer hohen Verschuldung vieler Staaten führte.
Noch weit weg von einer gemeinsamen Entwicklung schafft es Österreich immer noch nicht, adäquate Entwicklungshilfe bereitzustellen. Zwar erhöhte Österreich 2022 seine Entwicklungshilfeleistungen auf 0,39 Prozent des Bruttonationaleinkommens, vom international vereinbarten Ziel von 0,7 Prozent ist das Land noch weit entfernt. Vergleichbare Länder haben im letzten Jahr zum wiederholten Male das 0,7%-Ziel übererfüllt.
Im Rahmen der Vereinten Nationen gelang mit den 2015 mit der von allen Staaten angenommenen Agenda 2030 ein großer Wurf. Sie ist ein gemeinsames Konzept aller Staaten für Frieden und Wohlstand. Kernstück sind die Sustainable Development Goals, welche 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung umfassen. Auch Österreich verpflichtet sich bei dieser Vision der Mitgliedsstaaten der UNO, globale Probleme global anzugehen und nicht nur innerhalb der westlichen Hemisphäre. Hier geht es neben Armutsbekämpfung um Gesundheit, sauberes Wasser, saubere Energiegewinnung, nachhaltige Städte, Innovation und auch um Frieden. Rechtsstaatlichkeit, Verringerung von Gewalt, Beendigung des Missbrauchs von Kindern, die Eliminierung von Korruption und die „Teilhabe der Entwicklungsländer an den globalen Lenkungsinstitutionen“ sind hier als Unterziele festgelegt. Dass vom Ziel der „Ankurbelung des Wirtschaftswachstums“ – das Kernstück des Kapitalismus – nicht abgegangen wurde, zeigt, dass die Staaten die wesentlichen Probleme dieses Wachstums nicht verstanden haben oder ignorieren.
Anlass zur Hoffnung gibt auch die UN-Resolution der Generalversammlung vom 23. November dieses Jahres zur zukünftigen internationalen Steuerpolitik, mit der erstmals alle Staaten gleichberechtigt über die künftige internationale Steuerpolitik und ein faires, globales Steuerabkommen verhandeln könnten. Die Resolution wurde trotz des heftigen Widerstands der OECD-Länder verabschiedet, die bisher die Steuerregeln im eigenen Interesse gestalten konnten. Auch Österreich stimmte gegen die Resolution.
Die Menschen des Globalen Südens dürfen nicht mehr als die Peripherie der reichen Staaten angesehen werden, sondern als ebenbürtige Partner*innen im Bemühen um Frieden, Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit. Es gibt zwar viele Lippenbekenntnisse, doch die Handlungen der reichen Staaten sind meist nur zugunsten des eigenen Vorteils.
Wege zum Frieden
„An die weiblichen und männlichen Waffenscheuen:
Die Waffen hoch!
Das Schwert ist Mannes eigen:
Wo Männer fechten, hat das Weib zu schweigen.“
Felix Dahn, deutscher Rechtswissenschaftler, Schriftsteller und Historiker, verfasste dieses Gedicht. Ziel seines Spotts war Bertha von Suttner, eine der wichtigsten Vertreter*innen der europäischen Friedensbewegung. Aber nicht nur Felix Dahn kritisierte Bertha von Suttner, sondern auch Freigeister wie Stephan Zweig oder Karl Kraus standen ihr kritisch gegenüber. Dennoch, ihr Hauptwerk – Die Waffen nieder! – hat an Aktualität nichts verloren. Mögen die Feldherren heute in Büros und Bunkern vor Bildschirmen sitzen und nicht mehr auf einer Anhöhe mit Feldstechern das Kriegsgeschehen verfolgen – das Grauen am Schlachtfeld ist dasselbe geblieben.
Trotz großen Widerstandes ließ sich der Wille, Krieg endlich abzuschaffen, nicht aufhalten. Friedensbewegungen zählen zweifelsohne zu den wichtigsten gesellschaftlichen Kräften des 20. Jahrhunderts. Die älteste bestehende internationale Friedensorganisation ist das das Internationale Friedensbüro, das am 1. Dezember 1891 in Bern gegründet wurde. Wie Bertha von Suttner setzte es sich für einen Bund der Völker, die internationale Schiedsgerichtsbarkeit sowie für Völkerverständigung und Abrüstung ein. 1910 erhielt es für seine Verdienste den Friedensnobelpreis. Als weitere wichtige internationale Friedensorganisationen sind u.a. War Resister’s International, die Women’s International League for Peace and Freedom, die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs, Service Civil International, die Internationale Kampagne gegen Landminen und die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen zu nennen.
Als erste internationale ökumenische Friedensorganisation wurde der Fellowship of Reconciliation 1914 ins Leben gerufen – mit einem legendären Handschlag zwischen dem englischen Quäker Henry Hodgkin und dem deutschen Lutheraner Siegmund Schultze, die sich versprachen, dass sie im gerade beginnenden Ersten Weltkrieg nicht gegeneinander kämpfen würden. Der Internationale Versöhnungsbund ist eine dezidiert gewaltfreie Friedensorganisation, die einen Pazifismus „ohne Wenn und Aber“ lebt und weltweit in über 40 Ländern Zweige hat. Zu seinen Mitglieder zähl(t)en u.a. die Friedensnobelpreisträger*innen Martin Luther King, Mairead Corrigan Maguire und Adolfo Pérez Esquivel.
Internationale Friedensorganisationen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum Friedensaufbau, zur Abrüstung und zur Durchsetzung von Gerechtigkeit und den Menschenrechten. Von den Anfängen mit Bertha von Suttner bis in die heutige Zeit sind das ehrenamtliche Engagement für den Frieden, geringe Budgets und Anfeindungen Konstanten der Arbeit.
Wege zum Frieden
Immer wenn Konflikte zwischen oder innerhalb von Staaten gewaltsam eskaliert sind, stellt man sich die Frage, was es denn für Alternativen im Sinne der zivilen, gewaltfreien Konfliktbearbeitung gäbe. Wenn solche Instrumente nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen, scheint den jeweiligen Konfliktparteien der Griff zur Waffe bzw. der Einsatz militärischer Mittel oft als einzige Möglichkeit sich zu behaupten.
Der Zivile Friedensdienst (ZFD) versteht sich als ein Instrument einer österreichischen Außenpolitik im Sinne einer aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik. Er ist als Gemeinschaftswerk von Staat und Zivilgesellschaft konzipiert.
Über den ZFD werden durch den Einsatz von ausgebildeten und erfahrenen Friedensfachkräften lokale Partnerorganisationen in Krisen- und Konfliktgebieten in Fragen von Gewaltprävention und Verhinderung von Gewalt, ziviler Konfliktbearbeitung und Friedensförderung auf Augenhöhe unterstützt. Sie arbeiten direkt an den Ursachen, Verläufen und Folgen gewaltförmiger Konflikte mit gewaltfreien, zivilen Methoden der Konfliktbearbeitung und des Menschenrechtsschutzes unter besonderer Berücksichtigung des Genderaspekts.
Konkrete Einsatzmöglichkeiten des ZFD reichen von der Prävention von Gewalt über den unbewaffneten Schutz gefährdeter Aktivist*innen und Organisationen, Maßnahmen zur Vermittlung bei Konfliktlösungen bis zur Beseitigung von Kriegsfolgen und Versöhnungsarbeit. Das Ziel ist die Stärkung zivilgesellschaftlicher Kapazitäten für Dialog, Versöhnung, Zusammenarbeit sowie das Eintreten für Friedensprozesse.
Der Zivile Friedensdienst ist im Regierungsprogramm von 2020 verankert, ein erstes Projekt im Libanon befindet sich in Ausarbeitung und soll demnächst starten.
Ein ZFD stellt ein neues, vielversprechendes Instrument dar, wie österreichische Friedens- und Neutralitätspolitik deeskalierend in Konflikten wirken kann. Dafür ist sein Ausbau durch die langfristige Sicherstellung eines institutionellen Rahmens und einer entsprechenden finanziellen Förderung notwendig!
Wege zum Frieden
„Wenn Wahlen etwas änderten, wären sie längst verboten.“ Das berühmte Zitat von Kurt Tucholsky hat gerade wegen des weltweit einzementierten Neoliberalismus nichts an Aktualität verloren. Mächtige Lobbys üben überall Einfluss aus, schätzungsweise gibt es in Brüssel 25.000 Lobbyist*innen mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro. In vielen Ländern wird das „staatliche Familiensilber“ veräußert, die Privatisierung von Gemeinwohlgütern wie Wasser, Kommunikation, Energie, öffentlicher Verkehr bringen die Bürger*innen in große Bedrängnis. Besonders gefährliche Blüten treibt der Kapitalismus mit der Überlassung der Raumfahrt und Satellitensystemen an Privatunternehmen, die dann noch massiver als bisher in Kriege eingreifen können. So geschehen z.B. letzte Jahr, als Elon Musks SpaceX den Satellitendienst für ukrainische U-Boot-Drohnen unterbrach. Solche Entwicklungen machen Staaten immer mehr erpressbar.
Demokratie, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte gehören untrennbar zusammen. Demokratische Staaten bieten ihren Bürger*innen in diesen Bereichen ein hohes Maß an Freiheit. Aber auch diese Freiheit hat Grenzen – die Schicksale der Whistleblower Julian Assange, Katharine Gun, Edward Snowden, David McBride oder Chelsea Manning sprechen für sich. Die vielen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Push-Backs von Flüchtlingen oder Polizeigewalt, die auch von demokratischen Staaten begangen werden, zeigen deutlich, dass noch ein großes Stück Arbeit hin zu einer Demokratie, die den Namen auch verdient, nötig ist. Auch die Meinungsfreiheit lässt zu wünsche übrig – wie die Polarisierung während der Corona-Pandemie, die Verunglimpfung pazifistischer Standpunkte in Bezug auf die jüngsten Kriege oder die Beschimpfung von Klimaaktivist*innen als „Terroristen“ belegen.
Die Modelle zur Verbesserung der Demokratie sind zahlreich: direkte Demokratie, Konsultationen, Konsensfindung, Bürger*innenräte, Nichtregierungsorganisationen bis hin zu Volkstribunalen liefern Puzzleteile, wie Demokratie besser gelingen kann. Der österreichische Klimarat könnte ein wegweisendes Beispiel sein. Wegweisend ist auch die Forderung von österreichischen Friedensorganisationen zum 21. September dieses Jahres (Weltfriedenstag) nach einer staatlichen Förderung von bescheidenen 500 Millionen Euro jährlich für Friedensarbeit. Damit könnte beispielsweise der Polarisierung, der „Demokratiemüdigkeit“ und dem Voranschreiten autoritärer Gesellschaftsmodelle entgegengewirkt werden.
Demokratie braucht ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaftssystem, eine aktive Zivilgesellschaft und muss auf den Menschenrechten basieren.
Wege zum Frieden
Frieden will gelernt sein
Im August dieses Jahres gab der Standard eine perfide Umfrage in Auftrag und veröffentlichte am 28. August einen ebenso perfiden Artikel dazu. Er spitzte sich auf die Frage zu: „Wer steht zur Ukraine und wer eher nicht“. Die Befragten konnten sich nur entscheiden zwischen dem bewaffneten Kampf der Ukraine und einen „Frieden um jeden Preis“ – also „zulasten der Ukraine“. Dass ihnen keine anderen Möglichkeiten, kein „dritter Weg“, eingefallen sind, zeigt wie dringend notwendig eine umfassende, gesamtgesellschaftliche Friedensbildung ist.
„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.“ So beginnt die Präambel der UNESCO, der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Wie diese Verankerung funktionieren soll, weiß niemand so genau.
Aber es gibt weltweite Bemühungen. So rief die UNESCO bereits 1992 das Programm „Kultur des Friedens“ ins Leben und entwickelte Programme der Friedenskonsolidierung u.a. in El Salvador, Burundi und Mosambik. 1999 nahm die UN-Generalversammlung ein Aktionsprogramm für eine Kultur des Friedens an, die Jahre 2001-2010 wurden zur „Internationalen Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit ausgerufen“. Der Bericht der weltweiten Zivilgesellschaft zu ihren Aktivitäten im Rahmen der Dekade umfasste mehrere tausend Seiten.
Frieden ist ein dynamischer Prozess, Friedensaufbau will gelernt sein. Im Globalen Friedensindex liegt Österreich an fünfter Stelle. Den Frieden hier und weltweit zu fördern, wäre eine erfolgversprechende Aufgabe. Ein guter Anfang wäre ein Schulfach „Friedensbildung“ und die Schaffung vieler Arbeitsplätze im Friedensbereich.
Wege zum Frieden
Die wichtigste Plattform für den Frieden
„Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen, … künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, … haben beschlossen, in unserem Bemühen um die Erreichung dieser Ziele zusammenzuwirken.“
Die Gräuel des Zweiten Weltkriegs saßen noch tief, als 50 Staaten im Jahr 1945 die Charta der Vereinten Nationen (VN) unterzeichneten. Leider kann man nicht davon ausgehen, dass ihre Ziele – weltweiter Frieden, Sicherheit und Abrüstung, Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Staaten und die Förderung der Menschenrechte durch internationale Zusammenarbeit – zu ihrem 80. Geburtstag erreicht sein werden. Denn die VN können nur so wirksam sein wie es ihnen die Mitgliedsstaaten erlauben. Zudem müssten die VN demokratischer werden. Staaten mit Vetorecht im Sicherheitsrat, die allesamt imperialistische Agenden haben, von denen zwei Diktaturen sind und vier völkerrechtswidrige Angriffskriege führ(t)en, sind keine vertrauenswürdigen Broker für den Frieden.
So fordert der VN-Generalsekretär in seiner „Neuen Agenda für den Frieden“ angesichts der wachsenden Risse in den internationalen Beziehungen die Regierungen zu Recht auf, die VN wieder als umfassende Arena für Diplomatie zu nutzen, auch „wenn sie keine formellen diplomatischen Beziehungen haben, sich im Krieg befinden oder sich gegenseitig oder eine Seite nicht anerkennen.“ Diese Forderung trifft sicher auch auf den aktuellen Krieg in der Ukraine zu. Gerade das neutrale Österreich sollte sich von EU-Positionen distanzieren und mithelfen, dass Gesprächsformate entwickelt werden, die zu einem Waffenstillstand und einem Friedensprozess führen. Denn – laut UNO-Charta – geht es nicht darum, den Krieg, sondern den Frieden zu gewinnen. Nicht zufällig beherbergt Österreich einen Sitz der UNO, einen der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) und gut 60 weiterer internationaler Organisationen.
Die UNO sollte wieder zur zentralen Plattform für die Diplomatie, Krisenprävention und Friedenssicherung werden. Dafür wäre eine Demokratisierung der Entscheidungsprozesse, insbesondere im UN-Sicherheitsrat, hilfreich.
„Eine:r muss mit dem Frieden beginnen…“ (Stefan Zweig) damit es dann viele werden können, die sich auch im kommenden Jahr für Frieden und Gewaltfreiheit einsetzen!