- Statement des Internationalen Versöhnungsbundes – österreichischer Zweig
- Betrachtungen und Artikel aus dem Spinnrad 1/2023 zur Lektüre
Die Waffen nieder! / Den Frieden gewinnen
Stellungnahme des Internationalen Versöhnungsbundes, österreichischer Zweig,
zum Krieg in der Ukraine und zum Frieden
Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Das zeigt sich aktuell im Krieg in der Ukraine, der seit dem 24.2.2022 unzählige Opfer unter der Zivilbevölkerung wie unter Soldat:innen gefordert hat: Hunderttausende, die ihr Leben verloren haben oder verwundet wurden, Millionen Geflüchtete, die Missachtung von Menschenrechten und die Zerstörung lebendiger Natur, kultureller und sozialer Räume und lebensnotwendiger Infrastruktur. Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine aufs schärfste und treten für einen sofortigen Waffenstillstand und den Beginn eines Verhandlungsprozesses zwischen den Kriegsparteien ein. Dieser müsste u.a. den Rückzug russischer Truppen aus nach dem 24. Februar 2022 besetzten Gebieten, die Bewahrung der Selbständigkeit der Ukraine und eine beiderseits akzeptierte Lösung offener Territorialfragen beinhalten. Wir nehmen aber auch die Anteile an der Eskalation des Konflikts wahr, die nach dem Ende des Kalten Krieges durch die Politik des „Westens“ – v.a. durch die NATO-Osterweiterung – mitverursacht wurde und sich nun als massive militärische Unterstützung des ukrainischen Verteidigungskrieges manifestiert. Aber: Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit, darum gilt es, den Frieden mit friedlichen Mitteln wieder zu gewinnen.
Der Krieg hat Auswirkungen weit über den konkreten Fall Ukraine hinaus: Die weltweite Aufrüstung (s. SIPRI-Bericht zu den Militärausgaben 2022 in Höhe von 2,24 Billionen USD) und Militarisierung wirkt sich negativ auf weitere Krisen- und Kriegsregionen v.a. im Globalen Süden aus, fördert neue globale Konfrontation zwischen Machtblöcken bis hin zur Gefahr einer nuklearen Eskalation und bindet dringend notwendige finanzielle und geistige Ressourcen, die für den Kampf gegen die Klimakrise, für die Erhaltung des Lebensraums Erde für alle und für eine gerechtere Weltwirtschaft dringend gebraucht werden.
Was stellen wir der Kriegslogik gegenüber?
Die Fokussierung auf militärische Konfliktaustragung drängt sämtliche Formen ziviler Konfliktbearbeitung und gewaltfreien Handelns in den Hintergrund, indem sie sich als scheinbar alternativlos darstellt. Militärische Konfliktaustragung geht auf Kosten der Menschen und der Natur und negiert das Recht der Menschen auf Frieden und Gewaltfreiheit. Dem gegenüber stellen wir eine Friedenslogik, die Demokratie, Menschenrechte und Sicherheit durch Diplomatie, Verhandlungs- und Dialogprozesse auf unterschiedlichen Ebenen fördert. Sicherheit und Frieden für alle können nur gemeinsam und nicht gegeneinander erreicht werden. Dafür braucht es auf internationaler und europäischer Ebene Kooperation statt Rivalität und Feindschaft, ein erneuertes Engagement für ein „Gemeinsames Haus Europa“ auf dem einen Planeten Erde, der uns allen, Mensch wie Natur, zum Leben gegeben ist, und die Beiträge von Internationalen Organisationen, Staaten und Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft, insbesondere auch unter Mitwirkung von Frauen an Konfliktprävention, Konfliktlösung, Friedensprozessen und Wiederaufbau (UN-Sicherheitsratsresolution 1325) sowie von direkt von Konflikten betroffenen Menschen.
Auf die besondere Situation Österreichs bezogen sehen wir spezifische Möglichkeiten für eine aktive Friedenspolitik, die sich von der Vision einer Kultur des Friedens, einer „Friedensrepublik Österreich im Heimatland Erde“, leiten lässt. Grundlegend dafür ist die immerwährende Neutralität als Verpflichtung nicht an Kriegen teilzunehmen, sondern diesen Status aktiv als friedensstiftender Akteur einzubringen, wie z.B. bei der Entstehung des Atomwaffenverbotsvertrags und anderer multilateraler Abrüstungsabkommen, als Standort von UNO und OSZE, in konkreten Vermittlungsinitiativen oder bei der Schaffung und Förderung von Instrumenten der zivilen Konfliktbearbeitung wie dem Zivilen Friedensdienst. Auch im Rahmen der Europäischen Union kann Österreich dem Trend einer zunehmenden Militarisierung der Außen- und Sicherheitspolitik entgegentreten und stattdessen auf die Stärkung ziviler Konfliktbearbeitungsformen hinwirken. Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt ist die Solidarität mit Opfern von Krieg und Gewalt durch humanitäre Hilfe, Aufnahme von Flüchtlingen, der Gewährung von Asyl für Kriegsdienstverweiger:innen und Deserteur:innen, insbesondere aus Belarus, Russland und der Ukraine, oder durch Unterstützung beim Wiederaufbau.
Empfehlungen und Aufforderungen an die österreichische Politik
- Unterstützung konkreter Verhandlungsinitiativen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine und einen Friedensprozess, der auf nachhaltige Sicherheit für die Menschen in der Region abzielt
- Engagement für langfristige Konzepte des Aufbaus einer neuen Friedens- und Sicherheitsordnung für ganz Europa und weltweit
- Mehr Investitionen in Klimaschutz und Armutsbekämpfung weltweit und in Österreich statt steigender Militärbudgets
- Engagement für die Einbeziehung der militärisch bedingten CO2-Emissionen in die nationalen Klimabilanzen und Veröffentlichung der entsprechenden Daten für Österreich
- Erstellung eines jährlichen Rüstungsexportberichts für Österreich als Grundlage für eine schrittweise Reduktion von Waffenexporten bis zu deren Einstellung
- Abkehr von der Beteiligung an militärischen Kooperationen im Rahmen der NATO-Partnerschaft für den Frieden und der Europäischen Union, sowie deren Mitfinanzierung
- Stärkung österreichischer Kompetenzen für Verhandlungen und Vermittlungsbemühungen in internationalen Konflikten sowie ziviler Instrumente der Gewaltprävention und der (Nach-) Konfliktbearbeitung
- Verankerung von Methoden der gewaltfreien Konfliktbearbeitung (Gewaltfreie Kommunikation, Mediation, gelungene Beispiele gewaltfreier Friedensinitiativen etc.) im formellen und informellen Bildungssystem
- Langfristiger Aufbau einer umfassenden Kultur des Friedens und gewaltfreier Formen der Verteidigung auf gesellschaftlicher und staatlicher Ebene
Wien, im Mai 2023
Internationaler Versöhnungsbund, österr. Zweig
Mit dieser Stellungnahme greifen wir Anliegen mehrerer bestehender Friedensappelle (u.a. des Friedensbüros Salzburg, der Solidarwerkstatt, einer Adaption des deutschen Appells von K. Mögling und des Friedensforschers W. Wintersteiner) sowie eigene Beiträge auf und stellen sie anlässlich des International Summit for Peace in Ukraine am 10./11. Juni 2023 in Wien (www.peacevienna.org) zur Verfügung.
Stellungnahme als pdf zum Download