In Kolumbien, einem Land, das nur wenige friedvolle Phasen erlebte, ist Gewalt zu einem Alltagsphänomen geworden, zu einem verfügbaren Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Der seit mehr als fünf Jahrzehnten andauernde bewaffnete Konflikt hat ein komplexes Netz von Gewaltakteuren, die z.T. eng miteinander verwoben sind, hervorgebracht: Neben den staatlichen Sicherheitskräften, den Guerillaverbänden und den neo-paramilitärischen Einheiten entstanden private Sicherheitstrupps sowie Drogenkartelle mit ihrem bewaffneten Umfeld. MenschenrechtsverteidigerInnen und ländliche Gemeinden wurden und werden bedroht, schikaniert, vertrieben und ermordet.
Kolumbien ist eines der artenreichsten Länder der Welt, der größte natürliche Reichtum ist seine Flora. Der Krieg hat auch für die rohstoff- und agroindustriellen Sektoren Platz geschaffen, die große Landstreifen aufkaufen, Ölpalmen für den sog. Biosprit anpflanzen, Bohrungen durchführen und Amazonien nach Saatgut für die Patentierung absuchen. Für mehr als ein Viertel des kolumbianischen Territoriums wurden Bergbaukonzessionen erteilt oder beantragt. Personen und Gemeinden, die sich für Menschenrechte und einen anderen Lebensstil einsetzen, um ihr Land, ihre Nahrungssouveränität und die Umwelt zu schützen, sind diesen Megaprojekten im Weg und deshalb aufs Höchste gefährdet.
Warum begleiten wir in Kolumbien? Einige Daten zum Land
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- Der über 50jährige bewaffnete Konflikt hat 220.000 Tote gefordert, davon 80% ZivilistInnen.
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- 6,4 Millionen Menschen wurden gewaltsam vertrieben, das ist die zweithöchste Zahl weltweit. Betroffen sind in über 60% der Fälle BewohnerInnen ländlicher Gebiete. Trotz des Friedensprozesses wurden im Jahr 2013 220.000 Menschen vertrieben.
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- Zwischen 1985 und 2012 verschwanden 25.000 Menschen spurlos. Die meisten waren Opfer der Paramilitärs und des staatlichen Militärs.
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- Zwischen 1970 und 2010 wurden 27.000 Menschen entführt, die meisten von Guerilla-Gruppen.
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- Seit 1958 wurden 1.982 Massaker verübt. 1.166 davon gehen auf das Konto von Paramilitärs, während die Guerilla für 343 und das Militär für 158 Massaker verantwortlich gemacht werden. 20 wurden von Paramilitärs und Militär gemeinsam verursacht, 295 Massaker konnten nicht zugeordnet werden.
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- Trotz des Demobilisierungsprozesses zwischen 2002 und 2006 sind Paramilitärs bzw. neo-paramilitärische Gruppen in großen Teilen des Landes weiterhin aktiv.
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- Zwischen 2008 und 2011 fielen mindestens 4.500 Menschen der Praxis der “falsos positivos” zum Opfer. Dabei wurden ZivilistInnen unter Vorwänden von Angehörigen der staatlichen Armee in einen Hinterhalt gelockt und hingerichtet, um sie anschließend als Guerillakämpfer auszugeben. Auf diese Weise beabsichtigte die Armee, ihre Erfolgsquote im Kampf gegen die Aufständischen zu erhöhen.
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- Die Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen beträgt fast 100%.
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- Zwischen 6,6 und 10 Millionen Hektar Land wurde verlassen bzw. von bewaffneten Gruppen gewaltsam übernommen.
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- 2012 trat das Opferentschädigungs- und Landrückgabegesetz in Kraft.Nach diesem Gesetz sollten bis Ende 2014 über 2 Mio. Hektar Land an die rechtmäßigen BesitzerInnen zurückgegeben werden. Rückerstattet wurden aber lediglich 86.087 Hektar. Das entspricht nicht einmal einem Zwanzigstel der versprochenen Fläche.
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- In Bezug auf Vermögen und Landverteilung steht Kolumbien in Lateinamerika an vorletzter Stelle: 0,4% der Bevölkerung besitzt 62% des fruchtbarsten Landes.
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- Mehr als 30 Millionen Hektar Land sind für Bergbauprojekte vorgesehen. Diese Vorhaben werden auf 75% der kolumbianischen Bevölkerung negative Auswirkungen haben.
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- Kolumbien ist weltweit das zweitgefährlichste Land für UmweltaktivistInnen, betroffen sind vor allem Angehörige indigener Gruppen, Afro-KolumbianerInnen und Kleinbauern und –bäuerinnen.
- In den ersten sieben Monaten des Jahres 2015 wurden 69 MenschenrechtsverteidigerInnen und Gemeindeführer_innen ermordet.