Valentina J., Urabá, Kolumbien
September 2121
Ich schreibe diese Zeilen für die Nachwelt, damit die Erinnerung an mein Volk nicht ganz verblasst. Denn mein Volk geht unter. Lange haben wir Widerstand geleistet, haben uns immer wieder aufgerafft und für das Leben gekämpft. Jetzt sind nur noch wenige Familien übrig und wir sind unendlich müde.
Ich schreibe diese Zeilen für die Nachwelt, damit die Erinnerung an mein Volk nicht ganz verblasst. Denn mein Volk geht unter. Lange haben wir Widerstand geleistet, haben uns immer wieder aufgerafft und für das Leben gekämpft. Jetzt sind nur noch wenige Familien übrig und wir sind unendlich müde.
Vor 60 Jahren hat unsere Auslöschung begonnen. Sie kamen sie in das Gebiet, in dem mein Volk damals lebte, sie kamen mit Hubschraubern, begleitet vom Militär. Es waren Angestellte einer großen Bergbaufirma, und sie suchten nach Kupfer und Gold. Damit war viel Geld zu machen, denn die reichen Menschen hier in Kolumbien und auf der ganzen Welt brauchten diese Rohstoffe für ihre Batterien, für ihre Autos, für ihre unendliche Gier nach Strom für ein Leben in Luxus, auf den sie nicht verzichten konnten. Statt der Natur zuzuhören und zu lernen, mit ihr in Harmonie zu leben schlugen sie noch tiefere Wunden in die Erde.
Unsere Väter und Mütter haben nachgegeben – was hätten sie auch anderes tun sollen? Damals wurde unser Land von paramilitärischen Gruppen beherrscht. Sie waren schwer bewaffnet und sie setzten die Menschen unter Druck. Viele von uns wurden ermordet. Wie üblich schaute das Militär weg. Und wie üblich rührte die Regierung keinen Finger für uns Indigene. Bis heute stehen unsere Rechte nur auf dem Papier, bis zu uns haben sie es nie geschafft.
Einige von unserem Volk ließen sich auch kaufen in der Hoffnung, für ihre Kinder ein besseres Leben zu schaffen. Diese Rechnung ist wohl nicht aufgegangen. Denn unsere Kinder wurden krank. Die Minen haben unsere Luft verpestet, das Wasser und die Böden vergiftet. Riesige Schutthalden verwandelten unseren fruchtbaren Boden in eine Mondlandschaft. Sie haben den Wald gerodet und riesige Straßen gebaut.
Unsere Mütter und Väter zogen sich zurück in höhere Regionen, weg von den Maschinen, weg von dem Gift und weg von den Bewaffneten. Sie ließen ihre Häuser zurück und ihre heiligen Stätten. Ihre Kultur, ihr Erbe, ihre Rituale und Erinnerungen nahmen sie mit.
Lange hat es nicht gedauert, bis die Minenfirmen die ganzen Schätze aus der Erde ausgegraben hatten. Dann sind sie wohl weitergezogen, wie Heuschrecken. Aber das Gift ist geblieben und der Schutt auch. Wie lange wird die Natur wohl brauchen, um sich zu erholen, wie lange, um das Gift zu entsorgen? So wie es einst war wird es nie mehr. Denn es ist so heiß geworden, dass die Bäume, die es damals gab, nicht mehr wachsen können.
Heute haben wir beschlossen, uns wieder zurückzuziehen. Denn sie sind wieder da, die Bewaffneten. Unser Rückzugsgebiet ist fruchtbarer geworden, weil es hoch gelegen ist. Sie nehmen es uns weg, auch mit den Feldfrüchten lassen sich gute Geschäfte machen. Von welchem Unternehmen sie wohl Geld dafür bekommen? Entweder wir bleiben da und arbeiten für die Firma – zu ihren Bedingungen und unter der Kontrolle der Bewaffneten, oder sie töten uns.
Wir haben uns entschlossen zu gehen – noch höher, noch tiefer in die Wälder. Denn unser Volk wird untergehen. Aber in der Zeit, die uns noch bleibt, werden wir in Würde leben.
VALENTINA J.
Klimakrise und Ressourcenkriege
Eine Studie der Stanford-Universität (1) stellt fest, dass der Klimawandel in Bezug auf bewaffnete Konflikte bzw. Kriege bisher eine eher geringe Rolle gespielt hat. Die vier einflussreichsten Faktoren, die bewaffnete Konflikte/Kriege auslösen sind eine geringe sozioökonomische Entwicklung, geringe staatliche Kapazitäten, Ungleichheit zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Gewaltkonflikte in der jüngeren Geschichte. Zusätzlich werden oft auch noch der Mangel an Institutionen zur Konfliktbearbeitung sowie ethnisch polarisierte Gesellschaften, die von politischer Exklusion geprägt sind, genannt. Gleichzeitig stuft die Studie den Klimawandel als Konfliktfaktor mit der höchsten Unsicherheit ein…
Eine Studie der Stanford-Universität (1) stellt fest, dass der Klimawandel in Bezug auf bewaffnete Konflikte bzw. Kriege bisher eine eher geringe Rolle gespielt hat. Die vier einflussreichsten Faktoren, die bewaffnete Konflikte/Kriege auslösen sind eine geringe sozioökonomische Entwicklung, geringe staatliche Kapazitäten, Ungleichheit zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Gewaltkonflikte in der jüngeren Geschichte. Zusätzlich werden oft auch noch der Mangel an Institutionen zur Konfliktbearbeitung sowie ethnisch polarisierte Gesellschaften, die von politischer Exklusion geprägt sind, genannt. Gleichzeitig stuft die Studie den Klimawandel als Konfliktfaktor mit der höchsten Unsicherheit ein. Das heißt, dass eine Voraussage über den Einfluss des Klimawandels auf zukünftige Konflikte zum heutigen Zeitpunkt schwierig ist.
In dieser Studie wurde der Bericht des Weltklimarates 2021 nicht berücksichtigt.(2) Wir können davon ausgehen, dass das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Treibhausgasemissionen so weit zu reduzieren, dass die durchschnittliche Erwärmung 1,5 – 2 Grad Celsius nicht übersteigt, nicht eingehalten werden wird.
Es gilt, nicht nur die Treibhausgasemissionen sofort drastisch zu reduzieren, sondern auch eine nachhaltige Klima-Friedenspolitik umzusetzen. Die Weichen, ob die zu erwartenden verheerenden Folgen des Klimawandels bewaffnete Konflikte bzw. inner- oder zwischenstaatliche Kriege auslösen werden, werden heute gestellt. Denn wenn weiterhin an dem neoliberalen Wirtschaftssystem, gestützt durch einen überdimensionalen Militärapparat, festgehalten wird, dann lässt sich erahnen, wohin die Menschheit in wenigen Jahrzehnten steuert.
Green oder doch nur gierig?
Mit dem „Green Deal“ wolle „die EU unseren Wohlstand erhalten, aber eben nicht mehr auf Kosten unseres Planeten und kommender Generationen“(3), meinte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Verzicht ist also nicht angesagt, das Vertrauen in die Technologie unbegrenzt. Technologie benötigt Rohstoffe, insbesondere Metalle. Laut EU-Kommission werden die EU-Länder bis 2050 60-mal mehr Lithium und 15-mal mehr Kobalt für Elektrofahrzeugbatterien und Energiespeicherung benötigen. Der Bedarf an Seltenen Erden könnte sich verzehnfachen.(4) Um diese Nachfrage zu decken, hat die EU-Kommission bereits 2008 bzw. 2011 eine „Rohstoffinitiative“ ausgearbeitet. Die Schwerpunkte liegen auf Recycling von Rohstoffen, der Entwicklung von alternativen Stoffen, dem Abbau von Rohstoffen innerhalb der EU und dem Zugang zu Rohstoffen in Drittländern, wobei die meisten dieser Länder dem Globalen Süden zuzurechnen sind. Gegenüber diesen wird ein aggressiv anmutender, kolonialer Ton angeschlagen, indem eine unbeschränkte Marktöffnung und ein Ende aller „wettbewerbsverzerrender“ Maßnahmen gefordert wird. Zur Durchsetzung werden Freihandelsabkommen und Entwicklungspolitik eingesetzt.(5) Es gilt, im weltweiten Wettlauf die Nase vorne zu haben, denn die Konkurrenz ist groß, insbesondere im Hinblick auf das Ziel, dass die Klimaerwärmung zwei Grad nicht übersteigen soll. Die Weltbank prognostiziert beispielsweise, dass die weltweite Nachfrage nach Metallen für Akkumulatorenbatterien bis 2050 um 1000 Prozent steigen wird. Die OECD geht davon aus, dass sich der weltweite Materialverbrauch bis 2060 verdoppeln wird.(6)
Die EU-Kommission ist sich durchaus über die oft verheerenden Auswirkungen des Abbaus der begehrten Metalle bewusst, in diesem Zusammenhang könnte die Ausarbeitung eines Lieferkettengesetzes ein Schritt in die richtige Richtung sein. Ob es allerdings in geeigneter Form beschlossen wird, wird sich erst weisen. Denn nur ein wirklich umfassendes Gesetz könnte die Folgen des Bergbaus, insbesondere in ärmeren Ländern, mildern. Zu den Folgen zählen die Zerstörung riesiger Wälder durch Rodung, die Kontaminierung von Luft, Wasser und Böden, Mondlandschaften durch Abraum etc. Diese Folgen sind langfristig, und während Unternehmen große Gewinne erzielen, tragen die sowieso schon benachteiligten Gesellschaften die Kosten der Umweltzerstörung. Damit ist der Bergbau hoch konfliktiv und erzeugt soziale Spannungen, oft bereits im Vorfeld geplanter Projekte durch Proteste von betroffenen Gemeinden. Kritik und Protest wird vielfach kriminalisiert, und die extraktivistische Agenda von Regierungen geht oft mit einer Militarisierung einher. Vielfach wird Widerstand militärisch gewaltsam unterdrückt. Wenn die Bevölkerung durch den Klimawandel zunehmend mehr unter Druck gerät, ist es möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass Konflikte bewaffnet ausgetragen werden.
Dass es in naher Zukunft möglich sein wird, den Abbau von Rohstoffen weniger problematisch zu gestaltet, ist unwahrscheinlich. Beispielsweise ist allein der Wasserverbrauch beim Abbau von Rohstoffen enorm, und Wasser wird in Zukunft Mangelware sein. Es stellt sich die Frage, inwieweit so genannte grüne Technologien den Ausstoß von Treibhausgasen und die Verschmutzung von Umwelt nur verlagern. Insofern wäre eine drastische Reduktion des Ressourcenverbrauchs angesagt als Voraussetzung sowohl für einen tatsächlich nachhaltigen Klimaschutz als auch für einen nachhaltigen Frieden in den rohstoffreichen Gebieten der Erde. Das Wort Klimagerechtigkeit sucht man übrigens vergebens in Papieren der EU.
Die EU setzt aber nicht nur wirtschaftliche Druckmittel für den Zugang zu Rohstoffen und die Sicherung der Transportwege ein, sondern bedient sich auch militärischer Instrumente. Beispiele dafür sind das Horn von Afrika, der Tschad oder der Kongo.
Bei fortscheitender Klimakrise hin zu einer Klimakatastrophe werden die Menschen weitaus größere Probleme haben als die Frage, ob man mit dem Auto fährt oder zu Fuß geht, das neueste Handy hat oder einen Fernsehapparat mit Großbildschirm besitzt. Dass der Zugang zu sauberem Trinkwasser, die Ernährungssicherheit, die Versorgung mit Strom zu Problemen werden können, wird in der Öffentlichkeit kaum thematisiert. Auch nicht die möglichen gewaltsamen Konflikte und zwischenstaatlichen Kriege, die daraus entstehen können. Die Politik weiß es besser, die Militärapparate bereiten sich ja dementsprechend vor. Um die nächsten Generationen vor diesem Schicksal zu bewahren, müssten heute schmerzhafte, aber notwendige Maßnahmen getroffen werden. Wie zum Beispiel der Erhalt von wertvollem Ackerland und von Wäldern statt der Verwüstung durch Rohstoffabbau oder der Versiegelung durch Straßenbau.
„Buen vivir“ – ein gutes Leben für alle, statt einem Leben, das vor allem auf materiellem Wohlstand aufgebaut ist, wäre ein Zugang, der eher geeignet ist, in den kommenden schwierigen Zeiten den Frieden zu sichern.
Bitte unterstütze unsere Arbeit!
Eine Welt, die Klimaziele erfüllt, muss eine friedliche Welt sein! Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen wollen, müssen wir die Rolle von Krieg, Militär und Ausbeutung thematisieren und uns aktiv für eine gerechtere Welt durch friedliche Mitteln einsetzen – wir danken euch für euren Beitrag dazu!
Frieden ist möglich – aber sicher!
12.-14. Nov.2021 in Linz
Werde Teil von „Sicherheit neu denken“ und hole dir viele spannende Impulse auf unserer Tagung.
„Rethinking Security” glaubt, dass nachhaltiger Frieden und Sicherheit geschaffen werden kann indem zugrundeliegende Auslöser der Unsicherheit erkannt und adressiert werden. Dabei kommt allen, beginnend bei Regierungen und internationalen Institutionen bis zu lokalen Gemeinschaften und Individuen, eine Rolle bei der Entwicklung dieser Sicherheit zu. Die zugrundeliegenden Auslöser der Unsicherheit beinhalten den Klimawandel und Ressourcenknappheit, Ungleichheit, Militarismus und gewaltsame Konflikte.
Konkret erarbeitet die britische Initiative alternative Politiken, unterstützt einzelne Personen dabei, Diskussionen und Events zu einem anderen Sicherheitsbegriff abzuhalten und veröffentlicht den von der Zivilgesellschaft getragenen „Alternative Security Review“.
>>> Artikel zu Rethinking Security
>>> Zur Website der Kampagne
Im Juni dieses Jahres organisierten Mouvement International de la Réconciliation (MIR), Church and Peace, Stop Fuelling War und Pax Christi in Paris die Konferenz „Sicherheit in Europa neu denken“, um die deutschen und großbritannischen Studien zu „Sicherheit neu denken“ vorzustellen und zu erörtern, wie diese an die französische Realität angepasst werden können. In Frankreich schließt diese Arbeit u.a. an jene zur Dekade der Vereinten Nationen für eine Kultur der Gewaltfreiheit und des Friedens für die Kinder der Welt (2001-2010) an.
Ein Bericht zum Treffen in Paris wurde auf der Website von Church and Peace veröffentlicht.
Das Szenario „Sicherheit neu denken: Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“ zeigt auf, wie Deutschland analog dem Ausstieg aus der Atom- und Kohleenergie bis zum Jahr 2040 die militärische Aufrüstung überwinden könnte.
Erarbeitet wurde das Szenario im Auftrag der Evangelischen Landeskirche in Baden von einer Arbeitsgruppe mit Vertreter*innen verschiedener bundesweiter Friedensorganisationen.
Was stellen wir der Kriegslogik gegenüber?
Im Herbst 2023 stellt die Republik Österreich eine neue Sicherheitsstrategie vor. Diese wollen wir auf ihren Sicherheitsbegriff hin prüfen und in einen breiteren, friedensbewegten Kontext stellen.
Die Ergebnisse werden anschließend hier (und andernorts) publiziert!
Was stellen wir der Kriegslogik gegenüber?
Auf die besondere Situation Österreichs bezogen sehen wir spezifische Möglichkeiten für eine aktive Friedenspolitik, die sich von der Vision einer Kultur des Friedens, einer „Friedensrepublik Österreich im Heimatland Erde“, leiten lässt. Grundlegend dafür ist die immerwährende Neutralität als Verpflichtung nicht an Kriegen teilzunehmen, sondern diesen Status aktiv als friedensstiftender Akteur einzubringen, wie z.B. bei der Entstehung des Atomwaffenverbotsvertrags und anderer multilateraler Abrüstungsabkommen, als Standort von UNO und OSZE, in konkreten Vermittlungsinitiativen oder bei der Schaffung und Förderung von Instrumenten der zivilen Konfliktbearbeitung wie dem Zivilen Friedensdienst.
Zur konkreten Weiterarbeit zu diesem Themenkomplex wurden Folgetreffen vereinbart.
>>> Artikel „Friedensrepublik Österreich im Heimatland Erde – Ein Kommentar von Werner Wintersteiner“
Im November 2021 fand unsere Tagung „Frieden ist möglich – aber sicher! Impulse für eine gewaltfreie Gestaltung von Gesellschaft und Staat“ statt.
Inhalte der Publikation umfassen „Frieden, Sicherheit und Gewaltfreiheit“, „Sicherheit neu denken – das deutsche Szenario von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“, „Klima und Frieden“ und „Der Beitrag von Kirchen für eine Kultur der Gewaltfreiheit“.