Melissa M., Wien
September 2121
Na Gott sei Dank, gerade noch geschafft! Dieser paramilitärische Nachbarschaftswachdienst ist wirklich eine Plage. Nicht genug, dass sie Kriminelle straffrei erschießen dürfen, terrorisieren sie jetzt auch uns – die Bewohner des Viertels. Was bilden die sich eigentlich ein – eine Strafzahlung zu verlangen, nur weil wir eine Viertel Stunde nach Sonnenuntergang nach Hause gekommen sind? Was glauben die, sollen wir unsere Toten jetzt auch noch online beerdigen?…
Na Gott sei Dank, gerade noch geschafft! Dieser paramilitärische Nachbarschaftswachdienst ist wirklich eine Plage. Nicht genug, dass sie Kriminelle straffrei erschießen dürfen, terrorisieren sie jetzt auch uns – die Bewohner des Viertels. Was bilden die sich eigentlich ein – eine Strafzahlung zu verlangen, nur weil wir eine Viertel Stunde nach Sonnenuntergang nach Hause gekommen sind? Was glauben die, sollen wir unsere Toten jetzt auch noch online beerdigen? Oder bei 50 Grad eine Grabrede halten – vielleicht gleich auch für die Trauergäste, die bei der Beerdigung einen Hitzeschlag erleiden? Ich weiß schon nicht mehr wer gefährlicher ist: Die kriminellen Banden oder so genannten Wachdienste, die alle bewaffnet sind und wie verrückt in die Luft schießen. Wollen sie Regentropfen herunterschießen? Und die Polizei schaut zu, sie ist ja schon lange überfordert, trotzdem sie schon eher einer Armee gleicht.
Aber der Reihe nach: Heute haben wir den Sohn meiner Freundin Emma beerdigt. Er ist im Einsatz in Gibraltar ums Leben gekommen. Und er wollte dort gar nicht hin, er wollte nicht zum Mörder seiner eigenen Leute werden. Denn eigentlich ist er der Adoptivsohn von Emma. Nur Gott allein weiß wie er es als Kind geschafft hat, sich von Nigeria alleine nach Österreich durchzuschlagen. Vielleicht gerade weil sie so klein und so schüchtern war konnte er quasi durch die vielen militärischen Gürtel vor und in Europa durchtauchen. Nun ist er tot, erschossen von Menschen, die verzweifelt versuchen in den Norden zu kommen. Und sie kommen mit Waffen. In Afrika mangelt es an allem, nur nicht an Waffen. Essen gibt es überall immer weniger, aber dafür umso mehr Waffen. Und die Produzenten und Händler leben mit allen anderen Bonzen ein gemütliches Leben in Hochsicherheitsvierteln mit Swimming Pool. Während wir hier um jeden Tropfen Wasser kämpfen.
So, für heute muss ich langsam aufhören, morgen heißt es früh raus aus dem Bett. Zu dritt geht’s zum Markt, je früher desto eher kriegen wir was Brauchbares. aber wir müssen durch die Slums der Klimaflüchtlinge, und das ist gefährlich. Für 16 Milliarden Menschen, das sind doppelt so viele wie vor 100 Jahren, gibt es einfach viel zu wenig zu essen. Es gibt viel zu wenig Ackerland, viel zu viel Boden wurde versiegelt. Das war das Hobby unserer Vorfahren. Dazu Dürre-Unwetter-Dürre-Unwetter… ein Kreislauf des Todes. So viel besser ist es hier auch nicht mehr als im Süden. Aber sie kommen, Zehntausende sterben oder werden erschossen, aber Tausende schaffen es dann doch, Tag für Tag: aus Afrika, Italien, Spanien, den arabischen Ländern, einer verzweifelter als die andere. Denn sie haben nichts mehr zu verlieren. Alle haben viele ihrer Liebsten verloren – durch Durst, Hunger oder Krankheiten. Oder durch die Kriege um die letzten kärglichen Ressourcen. Und unsere Regierung, oder soll ich eher sagen unsere Chaosverwaltung glaubt immer noch, den Exodus aus dem Süden mit ihrem militärischen Großaufgebot stoppen zu können. Wie blind kann man eigentlich sein?
MELISSA M.
Auf den Klimawandel kannst du nicht schießen
Was ist eigentlich ein Sicherheitsproblem und was ist keines? Gibt es wirklich einen Punkt, an dem internationale Herausforderungen nicht mehr mit Entwicklungs-, Wirtschafts-, Umwelt- oder Gesundheitspolitik bearbeitet werden sollen, sondern mit Soldat*innen und Waffen? Wer entscheidet darüber und dient das der Problemlösung?
Herausforderungen werden in der Tat herbeigeredet bzw. als Sicherheitsproblem zu etikettieren versucht. „Versicherheitlichung“ erklärt Probleme zu besonderen Gefährdungen und propagiert Maßnahmen außerhalb des gewohnten Rahmens. Alarmismus kann beitragen, außerordentliche Maßnahmen zu befördern. …
Was ist eigentlich ein Sicherheitsproblem und was ist keines? Gibt es wirklich einen Punkt, an dem internationale Herausforderungen nicht mehr mit Entwicklungs-, Wirtschafts-, Umwelt- oder Gesundheitspolitik bearbeitet werden sollen, sondern mit Soldat*innen und Waffen? Wer entscheidet darüber und dient das der Problemlösung?
Herausforderungen werden in der Tat herbeigeredet bzw. als Sicherheitsproblem zu etikettieren versucht. „Versicherheitlichung“ erklärt Probleme zu besonderen Gefährdungen und propagiert Maßnahmen außerhalb des gewohnten Rahmens. Alarmismus kann beitragen, außerordentliche Maßnahmen zu befördern.
Versicherheitlichung bedeutet, den klassischen Sicherheitsinstrumenten – Militär, Rüstung und Mauerbau – überproportionales Gewicht zu geben. In Folge verlieren zivile Ansätze in der Debatte und Umsetzung an Bedeutung. Ob und wie Versicherheitlichungsprozesse greifen, hängt vom gesellschaftlichen Umfeld ab und wer nicht nur Gefährdungen, sondern auch zivile politische Lösungsansätze prägt und erklärt.
Althergebrachte Instrumente der Sicherheitspolitik sind für die Bearbeitung von Ursachen des Klimawandel gänzlich ungeeignet. Sie wirken überdies belastend für die Umwelt und verbauen den Blick auf nachhaltige Lösungen. Die Militarisierung von Symptomen legitimiert ein ausgrenzendes Sicherheitsdenken, welches auch in anderen Politikfeldern im Weg steht. Denkfabriken bauen längst an Argumenten, warum es die Armee gegen regionale umweltbedingte Migration braucht, warum Armeen mehr Mittel gegen Wetterextreme bekommen sollen und warum das Management eines gesteigerten Konfliktrisikos in militärischen Händen liegen soll.
In einer weiteren Dimension wurde im EU-Rahmen nachgedacht, wie Anstrengungen zum Schutz der Umwelt global durchgesetzt werden können. Man lies über Strafverfolgung mit Fähigkeit zur soliden Machtprojektion nachdenken. Kern dieses Ansatzes ist weniger der eigene Beitrag zur Klimaerhitzung, sondern die Schaffung einer subjektiven Logik von militärischem Interventionismus. Klimawandel wird – sofern seine Eindämmung nicht gelingt – menschliche Sicherheit verstärkter als bisher gefährden und Friedfertigkeit untergraben.
Bereits gegenwärtig ist die Veränderung des Klimas ein Risikomultiplikator und Stressfaktor. Das Risiko gewaltsam ausgetragener Konflikte wird dort verstärkt, wo Ungleichheit, geringes Einkommen, schwache Staatlichkeit, Polarisierung und Exklusion vorherrschen und ein Mangel an Instrumenten der Konfliktbearbeitung existiert. Je verwundbarer eine Gesellschaft, desto weniger leicht werden Instrumente der Anpassung wirksam. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass eine Verknappung von Ressourcen – ob klimabedingt oder nicht – auch zu intensiverer Kooperation auf ziviler Ebene führen kann. Jedoch zeigt sich – unabhängig ob Klimawandel und Ressourcenverknappung Konflikte verstärken oder zu Kooperationen führen – dass klassische Instrument der Sicherheitspolitik nicht Teil der Lösung sind.
Klimawandel und seine Folgen sind als politisches Problem und jenes einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu betrachten. Der Blick durch die Sicherheitsbrille blendet Ursachen aus und verengt die Konfliktbearbeitung auf Symptombekämpfung.
Bitte unterstütze unsere Arbeit!
Eine Welt, die Klimaziele erfüllt, muss eine friedliche Welt sein! Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen wollen, müssen wir die Rolle von Krieg, Militär und Ausbeutung thematisieren und uns aktiv für eine gerechtere Welt durch friedliche Mitteln einsetzen – wir danken euch für euren Beitrag dazu!
Frieden ist möglich – aber sicher!
12.-14. Nov.2021 in Linz
Werde Teil von „Sicherheit neu denken“ und hole dir viele spannende Impulse auf unserer Tagung.
„Rethinking Security” glaubt, dass nachhaltiger Frieden und Sicherheit geschaffen werden kann indem zugrundeliegende Auslöser der Unsicherheit erkannt und adressiert werden. Dabei kommt allen, beginnend bei Regierungen und internationalen Institutionen bis zu lokalen Gemeinschaften und Individuen, eine Rolle bei der Entwicklung dieser Sicherheit zu. Die zugrundeliegenden Auslöser der Unsicherheit beinhalten den Klimawandel und Ressourcenknappheit, Ungleichheit, Militarismus und gewaltsame Konflikte.
Konkret erarbeitet die britische Initiative alternative Politiken, unterstützt einzelne Personen dabei, Diskussionen und Events zu einem anderen Sicherheitsbegriff abzuhalten und veröffentlicht den von der Zivilgesellschaft getragenen „Alternative Security Review“.
>>> Artikel zu Rethinking Security
>>> Zur Website der Kampagne
Im Juni dieses Jahres organisierten Mouvement International de la Réconciliation (MIR), Church and Peace, Stop Fuelling War und Pax Christi in Paris die Konferenz „Sicherheit in Europa neu denken“, um die deutschen und großbritannischen Studien zu „Sicherheit neu denken“ vorzustellen und zu erörtern, wie diese an die französische Realität angepasst werden können. In Frankreich schließt diese Arbeit u.a. an jene zur Dekade der Vereinten Nationen für eine Kultur der Gewaltfreiheit und des Friedens für die Kinder der Welt (2001-2010) an.
Ein Bericht zum Treffen in Paris wurde auf der Website von Church and Peace veröffentlicht.
Das Szenario „Sicherheit neu denken: Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“ zeigt auf, wie Deutschland analog dem Ausstieg aus der Atom- und Kohleenergie bis zum Jahr 2040 die militärische Aufrüstung überwinden könnte.
Erarbeitet wurde das Szenario im Auftrag der Evangelischen Landeskirche in Baden von einer Arbeitsgruppe mit Vertreter*innen verschiedener bundesweiter Friedensorganisationen.
Was stellen wir der Kriegslogik gegenüber?
Im Herbst 2023 stellt die Republik Österreich eine neue Sicherheitsstrategie vor. Diese wollen wir auf ihren Sicherheitsbegriff hin prüfen und in einen breiteren, friedensbewegten Kontext stellen.
Die Ergebnisse werden anschließend hier (und andernorts) publiziert!
Was stellen wir der Kriegslogik gegenüber?
Auf die besondere Situation Österreichs bezogen sehen wir spezifische Möglichkeiten für eine aktive Friedenspolitik, die sich von der Vision einer Kultur des Friedens, einer „Friedensrepublik Österreich im Heimatland Erde“, leiten lässt. Grundlegend dafür ist die immerwährende Neutralität als Verpflichtung nicht an Kriegen teilzunehmen, sondern diesen Status aktiv als friedensstiftender Akteur einzubringen, wie z.B. bei der Entstehung des Atomwaffenverbotsvertrags und anderer multilateraler Abrüstungsabkommen, als Standort von UNO und OSZE, in konkreten Vermittlungsinitiativen oder bei der Schaffung und Förderung von Instrumenten der zivilen Konfliktbearbeitung wie dem Zivilen Friedensdienst.
Zur konkreten Weiterarbeit zu diesem Themenkomplex wurden Folgetreffen vereinbart.
>>> Artikel „Friedensrepublik Österreich im Heimatland Erde – Ein Kommentar von Werner Wintersteiner“
Im November 2021 fand unsere Tagung „Frieden ist möglich – aber sicher! Impulse für eine gewaltfreie Gestaltung von Gesellschaft und Staat“ statt.
Inhalte der Publikation umfassen „Frieden, Sicherheit und Gewaltfreiheit“, „Sicherheit neu denken – das deutsche Szenario von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“, „Klima und Frieden“ und „Der Beitrag von Kirchen für eine Kultur der Gewaltfreiheit“.