Sejed V., Offizier der Pakistanischen Armee
September 2121
Heute könnte mein Eintrag über den Niedergang auch mein letzter sein. Unsere Armee ist am Ende, die Soldaten von Staub, Mangelernährung und Durst zu erschöpft zum Kämpfen. Und Treibstoff gibt es bald keinen mehr…
Heute könnte mein Eintrag über den Niedergang auch mein letzter sein. Unsere Armee ist am Ende, die Soldaten von Staub, Mangelernährung und Durst zu erschöpft zum Kämpfen. Und Treibstoff gibt es bald keinen mehr, geschweige denn Ersatzteile für unsere Bomber und Panzer. Nicht mal unsere Drohnen funktionieren noch.
Seit drei Jahren geht nun schon der Krieg gegen die Inder. Aber wofür? Das Wasser wird immer weniger, die Gletscher sind fast abgeschmolzen, es wird immer trockener. Die Menschen gehen zugrunde. Hunderttausende sind gestorben, nicht nur durch Bomben, sondern auch durch Krankheiten, verseuchtes Wasser, den unerträglichen Staub und das Gift in der Luft. Oder einfach erschossen durch Kriminelle. Die marodierenden Banden sind eine Qual, besonders für Frauen und Kinder.
Ich habe mich bemüht, den Niedergang zu dokumentieren: Das Abschmelzen der Gletscher und die Versuche der Regierungen, die Wasserverteilung durch Verträge gerecht zu regulieren. Am Anfang, als die Gletscher zwar schon gefährlich schnell schmolzen, aber noch immer genug Wasser für alle da war, sah es ganz gut aus. Die Länder kämpften auch nicht mit der Dürre, sondern mit Überflutungen durch das schnelle Abschmelzen. Doch je weniger das Wasser wurde desto schwieriger wurden die Verhandlungen. Bis sie schließlich eskalierten und abgebrochen wurden. Ein unverzeihlicher Fehler, der den Tod von halb Asien bedeuten könnte.
Ich war so stolz darauf ein Offizier zu sein und unser Land und unsere Kultur zu schützen. Mit Enthusiasmus bin ich in diesen Krieg gezogen, ist doch Indien schon so lange unser schlimmster Feind. Doch je länger der Krieg dauert, desto widerwärtiger erscheint er mir. Wir hätten es wissen müssen, es ist doch eine uralte Erfahrung des Menschen: Je länger ein Krieg dauert, desto wahnwitziger wird er. Plötzlich ist jeder Schaden, den wir dem Gegner zufügen ein Gewinn für uns, obwohl wir um keinen Tropfen Wasser mehr haben. Mir wird ganz übel wenn ich daran denke, wie viele Inder wir getötet haben. Und wie viele noch sterben müssen, weil wir ihre letzten Wasseraufbereitungsanlagen zerstört und ihre Felder in Brand gesetzt haben.
Und jetzt berät unsere Regierung über den Einsatz von Atomwaffen, damit wir den Krieg nicht verloren geben müssen. Was wird die Antwort der Inder sein? Sie führen immerhin einen Krieg an zwei Fronten – gegen uns und gegen China, das ihnen ja schon lange Wasser abgräbt. Angeblich überlegen auch sie schon, Atomwaffen einzusetzen, zumindest habe ich etwas aus Geheimdienstquellen gehört.
Heute wird die Entscheidung fallen.
SEJED V.
Krieg…
… tötet Menschen
… zerstört Klima und Umwelt
… und tötet dadurch noch mehr Menschen
Krieg ist ersatzlos zu streichen!
Angesichts des unvorstellbaren menschlichen Leides, das Kriege unmittelbar verursachen, finden die Auswirkungen von Kriegshandlungen auf das Klima und die Umwelt verhältnismäßig wenig öffentliche Beachtung. Dabei setzt Krieg in mehrfacher Weise ungeheure Mengen von Treibhausgasen frei….
Angesichts des unvorstellbaren menschlichen Leides, das Kriege unmittelbar verursachen, finden die Auswirkungen von Kriegshandlungen auf das Klima und die Umwelt verhältnismäßig wenig öffentliche Beachtung. Dabei setzt Krieg in mehrfacher Weise ungeheure Mengen von Treibhausgasen frei. Zu unterscheiden sind:
Die direkten Emissionen von Militäroperationen:
Ob Kampfflugzeuge, Transportflugzeuge, Kriegsschiffe, Panzer, Lastkraftwagen und sonstige Fahrzeuge, sie alle verbrauchen Millionen Tonnen fossilen Treibstoffes. 1991 flogen die alliierten Streitkräfte über 100.000 Luftangriffe gegen den Irak. Beispielhaft sei erwähnt, dass das damals eingesetzte F-16-Kampfflugzeug rund 3.600 Liter Treibstoff pro Stunde verbraucht, mit Nachbrenner rund 15.000 Liter pro Stunde.
Weiterhin werden Luftangriffe geflogen. Bis April 2020 führte die von Saudi-Arabien geleitete Militäraktion gegen Jemen zwischen 20.934 und 59.641 Luftschläge aus, die zivile Infrastruktur wie Krankenhäuser, Fabriken, Getreidespeicher Häfen, Märkte usw. trafen.(1)
„Energie ist das Lebenselixier unserer Fähigkeiten zur Kriegsführung.“ General David Petraeus, 2011
Der größte institutionelle Ölverbraucher ist das Verteidigungsministerium der USA und damit auch der der größte Einzelemittent von Treibhausgasen. Es wird geschätzt, dass zwischen 2001 und 2017 die Emissionen aller US-Militäroperationen 766 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent betrugen.(2)
Erdölfelder, Ölfördereinrichtungen, Raffinerien, Tanker und Pipelines gehören zu den bevorzugten Zielen während eines Krieges, wie beispielsweise in Kolumbien, Libyen, Syrien oder Irak. Durch die Zerstörung dieser und anderer Infrastrukturen gelangen Öl, Abwässer und Giftstoffe in Meeresökosysteme und Böden.
Irakische Soldaten setzten während des 2. Golfkrieges bei ihrem Rückzug über 700 kuwaitische Ölquellen in Brand. Die Feuer konnten monatelang nicht gelöscht werden, wodurch 300 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt wurden. Das hat langfristige und weitreichende Folgen. So wurde im nördlichen Tibet-Plateau für die Jahre 1991 und 92 ein drei- bis vierfach höherer Rußeintrag als gewöhnlich nachgewiesen werden, ein Resultat der brennenden Ölquellen in Kuwait. Der Ruß beschleunigte das Schmelzen der Gletscher.(3)
Um uns herum ein stinkendes, brodelndes, fauchendes Inferno. Die Luft scheint zu glühen. Über uns türmen sich pechschwarze Wolken: Es ist Nacht, morgens um 11 Uhr. Alles ist mit dickem, klebrigem Ruß bedeckt. Etwa die Hälfte der gesamten Landesfläche von Kuwait liegt unter diesem ekelhaften Film, der alles Leben erstickt. Nach fünf Minuten ist mein weißes T-Shirt braun von dem Öl-Regen, der stetig auf uns niedergeht. Al Ahmadi, Kuwait, 12. September 1991. Aus dem Tagebuch von Thomas Henningsen(4)
Als die NATO 1999 die in der Nähe von Belgrad gelegene Raffinerie NIS, die Kunststofffabrik HIPetrohemija und die Düngemittelfabrik HIP Azotara bombardierte brannte der leicht entzündliche Treibstoff und verschmutzte die Luft und den Boden langfristig.(5)
Im in Meeren, von denen das Leben auf der Erde abhängt, liegen mehr als 8500 Schiffswracks, ein Großteil davon aus dem Zweiten Weltkrieg. Millionen Tonnen von Rohöl und Schiffsdiesel werden von den rostenden Wracks freigesetzt.(6)
Auch Wälder und Felder werden während Kriegen in Brand gesetzt oder abgeholzt, wie etwa in Vietnam oder jüngst in Syrien oder Nagorno-Karabakh. Militärische Anlagen werden errichtet bzw. ausgebaut.
Die Indirekten Emissionen von Kriegen(7):
Indirekte Emissionen sind schwer messbar, sie wirken aber noch lange nach dem Ende eines bewaffneten Konflikts. Zu ihnen zählen unter anderen:
Grüner Krieg? Lippenbekenntnisse der NATO und der EU
Sowohl für die EU als auch für die NATO rückt der Klimawandel zunehmend ins Zentrum zukünftiger militärischer Strategien. Der NATO Climate Change and Security Action Plan(9) stellt fest, dass auf der einen Seite der Klimawandel ein Sicherheitsrisiko darstellt, das bestehende Herausforderungen verschärfen und neue schaffen wird. Andererseits werden der Temperaturanstieg, Wetterextreme und der Anstieg des Meeresspiegels es den Streitkräften schwer machen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Deshalb nahm die NATO den Aktionsplan an, in dem die jährliche Bewertung der Auswirkung des Klimawandels auf die Sicherheit festgelegt wird. Ausgehend von dieser Bewertung sollen Strategie und Beschaffungspraktiken an den Klimawandel angepasst werden.
Außerdem will die NATO eine Methode zur Kartierung und Analyse von Treibhausgasemissionen aus militärischen Aktivitäten und Einrichtungen entwickeln, die zur freiwilligen Formulierung von Zielen der Bündnispartner in Bezug auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen des Militärs führen könnte.
Ähnliche Formulierungen sind auch in der Climate Change and Defense Roadmap der EU(10) zu finden: So sollen die Aspekte des Klimawandels in die Planung und Durchführung von zivilen und militärischen Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP-Missionen) einbezogen werden. Militärische Ausrüstung soll auch unter extremen Wetterbedingungen effektiv bleiben und bei den Missionen sollen energieeffizientere Technologien zur Anwendung kommen. Zudem soll die Energieresistenz der Streitkräfte und der Infrastruktur in Europa erhöht werden.
Angesichts der oben ausgeführten Folgen von Kriegen für das Klima und die Umwelt sind die Ausführungen von NATO und EU im höchsten Maße unbefriedigend, ja fast zynisch. Weder NATO noch EU verhehlen dabei ihre eigentlichen Interessen. So weist die NATO darauf hin, dass die Auswirkungen des Klimawandels das geopolitische Umfeld prägen und das Verhalten von Staaten beeinflussen werden. Explizit erwähnt wird dabei das Auftauen des Permafrosts, die Wüstenbildung und die Öffnung neuer Schifffahrtswege, alles Faktoren, die zu mehr Instabilität und geostrategischem Wettbewerb führen können. Das kann als Anspielung auf den Run um das arktische Erdöl und die strategische Besetzung der zu erwartenden arktischen maritimen Routen interpretiert werden.
Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, führt aus, dass der Klimawandel die weltweite Ökonomie beeinflussen wird. Der Klimawandel sei ein Sicherheitsproblem, das die Geopolitik in verschiedenen Dimensionen umgestalten wird. Der Klimawandel werde einen Wettbewerb um knappe Ressourcen und Rohstoffe auslösen. Er werde das Gleichgewicht der Kräfte sowie die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen beeinflussen und vielfältige Bedrohungen für die globale Stabilität und Sicherheit mit sich bringen. In dem Wissen, dass der Klimawandel vor allem verwundbare und fragile Staaten treffen wird, muss die Europäische Union sich von der Reflexion hin zur Aktion bewegen.
All diese Ausführungen klingen nach einem Mehr von Demselben, mit einem geradezu unsichtbaren Hauch von grünem Anstrich. Angesichts des verheerenden letzten Berichts des Weltklimarates wäre allerdings die einzig zukunftsweisende Strategie die SOFORTIGE EINSTELLUNG ALLER KRIEGE sowie der unverzügliche Beginn des Abbaus militärischer Apparate und der Rüstungsindustrie.
Bitte unterstütze unsere Arbeit!
Eine Welt, die Klimaziele erfüllt, muss eine friedliche Welt sein! Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen wollen, müssen wir die Rolle von Krieg, Militär und Ausbeutung thematisieren und uns aktiv für eine gerechtere Welt durch friedliche Mitteln einsetzen – wir danken euch für euren Beitrag dazu!
Frieden ist möglich – aber sicher!
12.-14. Nov.2021 in Linz
Werde Teil von „Sicherheit neu denken“ und hole dir viele spannende Impulse auf unserer Tagung.
„Rethinking Security” glaubt, dass nachhaltiger Frieden und Sicherheit geschaffen werden kann indem zugrundeliegende Auslöser der Unsicherheit erkannt und adressiert werden. Dabei kommt allen, beginnend bei Regierungen und internationalen Institutionen bis zu lokalen Gemeinschaften und Individuen, eine Rolle bei der Entwicklung dieser Sicherheit zu. Die zugrundeliegenden Auslöser der Unsicherheit beinhalten den Klimawandel und Ressourcenknappheit, Ungleichheit, Militarismus und gewaltsame Konflikte.
Konkret erarbeitet die britische Initiative alternative Politiken, unterstützt einzelne Personen dabei, Diskussionen und Events zu einem anderen Sicherheitsbegriff abzuhalten und veröffentlicht den von der Zivilgesellschaft getragenen „Alternative Security Review“.
>>> Artikel zu Rethinking Security
>>> Zur Website der Kampagne
Im Juni dieses Jahres organisierten Mouvement International de la Réconciliation (MIR), Church and Peace, Stop Fuelling War und Pax Christi in Paris die Konferenz „Sicherheit in Europa neu denken“, um die deutschen und großbritannischen Studien zu „Sicherheit neu denken“ vorzustellen und zu erörtern, wie diese an die französische Realität angepasst werden können. In Frankreich schließt diese Arbeit u.a. an jene zur Dekade der Vereinten Nationen für eine Kultur der Gewaltfreiheit und des Friedens für die Kinder der Welt (2001-2010) an.
Ein Bericht zum Treffen in Paris wurde auf der Website von Church and Peace veröffentlicht.
Das Szenario „Sicherheit neu denken: Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“ zeigt auf, wie Deutschland analog dem Ausstieg aus der Atom- und Kohleenergie bis zum Jahr 2040 die militärische Aufrüstung überwinden könnte.
Erarbeitet wurde das Szenario im Auftrag der Evangelischen Landeskirche in Baden von einer Arbeitsgruppe mit Vertreter*innen verschiedener bundesweiter Friedensorganisationen.
Was stellen wir der Kriegslogik gegenüber?
Im Herbst 2023 stellt die Republik Österreich eine neue Sicherheitsstrategie vor. Diese wollen wir auf ihren Sicherheitsbegriff hin prüfen und in einen breiteren, friedensbewegten Kontext stellen.
Die Ergebnisse werden anschließend hier (und andernorts) publiziert!
Was stellen wir der Kriegslogik gegenüber?
Auf die besondere Situation Österreichs bezogen sehen wir spezifische Möglichkeiten für eine aktive Friedenspolitik, die sich von der Vision einer Kultur des Friedens, einer „Friedensrepublik Österreich im Heimatland Erde“, leiten lässt. Grundlegend dafür ist die immerwährende Neutralität als Verpflichtung nicht an Kriegen teilzunehmen, sondern diesen Status aktiv als friedensstiftender Akteur einzubringen, wie z.B. bei der Entstehung des Atomwaffenverbotsvertrags und anderer multilateraler Abrüstungsabkommen, als Standort von UNO und OSZE, in konkreten Vermittlungsinitiativen oder bei der Schaffung und Förderung von Instrumenten der zivilen Konfliktbearbeitung wie dem Zivilen Friedensdienst.
Zur konkreten Weiterarbeit zu diesem Themenkomplex wurden Folgetreffen vereinbart.
>>> Artikel „Friedensrepublik Österreich im Heimatland Erde – Ein Kommentar von Werner Wintersteiner“
Im November 2021 fand unsere Tagung „Frieden ist möglich – aber sicher! Impulse für eine gewaltfreie Gestaltung von Gesellschaft und Staat“ statt.
Inhalte der Publikation umfassen „Frieden, Sicherheit und Gewaltfreiheit“, „Sicherheit neu denken – das deutsche Szenario von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“, „Klima und Frieden“ und „Der Beitrag von Kirchen für eine Kultur der Gewaltfreiheit“.