„Was können wir denn sagen, was nicht schon gesagt worden ist, und was diese verzweifelte Situation etwas erträglicher machen kann?“ Diese Worte der palästinensischen Direktorin Rana Salman und des israelischen Direktors Yonatan Gher von den „Combatants for Peace“ bringen zum Ausdruck, was auch wir im österreichischen Versöhnungsbund in den Tagen seit dem 7. Oktober empfunden, gehört und ausgetauscht haben. Wir haben uns dafür entschieden, nicht noch eine eigene weitere Erklärung zu verfassen, sondern exemplarisch einige Stimmen unserer Freund:innen aus Palästina und Israel sowie internationaler Partner:innen zugänglich zu machen, mit deren Grundanliegen wir uns identifizieren. Wir wollen damit Alternativen zu einer Krieg und Gewalt als selbstverständlich oder unvermeidlich hinnehmenden Berichterstattung Gehör verschaffen.
(Stand 17.10.2023, Update 14.11.2023)
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Update 14.11.2023
Viele Stimmen von friedensbewegten Menschen aus Israel und Palästina und der ganzen Welt erreichen uns. Hier können wir nur einen kleinen Ausschnitt davon wiedergeben. Unserer ersten Sammlung wollen wir aber noch folgende Zitate und Hinweise anschließen.
Eine gemeinsame jüdisch-arabische Erklärung für den Frieden
… In Gedenken an die Ermordeten und um der Lebenden willen müssen wir gemeinsam handeln – JüdInnen und AraberInnen – für die Freilassung der Entführten und Gefangenen, für das Ende des Krieges, für das Ende der Besatzung und des Konflikts, für den Frieden.Wir, die an den demokratischen und friedlichen Weg glauben, rufen dazu auf:
- Einen stabilen Waffenstillstand anzustreben, in dessen Rahmen unverzüglich Verhandlungen über ein politisches Abkommen aufgenommen werden, das auf der gegenseitigen Anerkennung des Rechts beider Völker auf Selbstbestimmung beruht – ein Abkommen, das beiden Völkern Sicherheit, Freiheit und Wohlstand garantiert.
- Unverzügliche Förderung eines umfassenden Abkommens über einen Gefangenenaustausch („alle für alle“).
- Unverzügliche Beendigung des Angriffs auf unschuldige Zivilpersonen. Es gibt und kann keine Rechtfertigung dafür geben, Unschuldige zu verletzen.
- Sofortiges Handeln, um die ausufernde SiedlerInnengewalt im Westjordanland mit Unterstützung der Armee einzudämmen und den Transfer, den diese Gewalt zu fördern versucht, zu stoppen.
- Beendet die Verfolgung und Unterdrückung der palästinensischen BürgerInnen Israels und derjenigen, die sich mit den BewohnerInnen des Gazastreifens solidarisch zeigen und den Krieg ablehnen. Stoppt die Verletzung grundlegender Rechte, einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung, des Rechts auf Demonstrationen und mehr.
Wir alle haben die Auswirkungen der Gewalt erlebt. Immer wieder wird deutlich, dass es keine militärische Lösung für diesen Konflikt gibt und auch niemals geben kann. Der einzige Weg, das Blutvergießen zu beenden, ist ein politisches Abkommen, das Sicherheit, Gerechtigkeit und Freiheit für beide Nationen garantiert.
Übersetzt von pressenza.com, Liste der unterstützenden Organisationen im englischen Text
Gedicht von Irwin Keller (rabbi, teacher, writer, hope-monger)
Taking SidesToday I am taking sides.
I am taking the side of Peace.
Peace, which I will not abandon
even when its voice is drowned out
by hurt and hatred,
bitterness of loss,
cries of right and wrong.I am taking the side of Peace
Irwin Keller, Oct. 17, 2023
whose name has barely been spoken
in this winnerless war…
Zitate
Was tun wir also inmitten dieser Gewalt? Wie kann eine gemeinsame Bewegung wie die unsere überleben?
Combatants for Peace
Wir konzentrieren uns auf die Menschlichkeit. Wir sehen das Kind, nicht die Nationalität, wir fühlen den Schmerz der anderen in uns selbst, und wir suchen Gerechtigkeit, nicht Rache. Wir glauben gemeinsam, dass alles Leben gleich ist, und gemeinsam haben wir getrauert, unsere Angst und unsere Trauer geteilt und Geschichten über Verlust und Überleben ausgetauscht.
Wir sind Israelis und Palästinenser:innen. Wir sehen einander in die Augen und halten uns gegenseitig stark und den Kopf über Wasser, wenn wir das Gefühl haben, dass der andere unterzugehen droht. Dies ist unser bisher härtester Härtetest, und wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterzumachen.
Wir, hinterbliebene israelische und palästinensische Familien, sind erschüttert über die jüngsten Gräueltaten und den unnötigen Verlust von weiteren Menschenleben.
Wir halten Wache für all die Menschen, die ihr Leben verloren haben, für die neuen Hinterbliebenen und um ein Ende der Gewalt zu fordern.
Parents Circle
Die palästinensisch-israelische Organisation Parents Circle – Families Forum beging am 15. Oktober online eine Gedenkveranstaltung für alle Opfer der Gewalt, die als Video hier (YouTube) zugänglich ist. Auch zukünftig sind Gedenkveranstaltungen geplant.
27 Menschenrechtsorganisationen in Israel haben am 12. Oktober einen gemeinsamen Aufruf veröffentlicht, in dem es u.a. heißt:
„Die grausamen Verbrechen der Hamas gegen unschuldige Zivilist:innen – darunter Kinder, Frauen und ältere Menschen – haben uns alle erschüttert, und wir haben Mühe, uns von den unerträglichen Anblicken und Geräuschen zu erholen. (…) Die meisten unserer Teams bestehen aus Israelis und Palästinenser:innen; daher haben einige von uns Verwandte und Kolleg:innen im Gazastreifen, die derzeit unter den ständigen Angriffen des israelischen Militärs leben. Kinder, Frauen und ältere Menschen werden wahllos angegriffen und können sich nirgendwo verstecken.
Da wir uns schon immer gegen die Schädigung unschuldiger Zivilist:innen gewehrt haben, ist es in diesen schrecklichen Zeiten – in denen wir die Toten auf israelischer Seite zählen und uns um verwundete, vermisste und entführte Angehörige sorgen, und in denen Bomben auf Wohnviertel in Gaza abgeworfen werden, die ganze Familien auslöschen, ohne dass die Toten begraben werden können – unsere Pflicht, unsere Stimme laut und deutlich gegen die Schädigung aller unschuldigen Zivilist:innen zu erheben, sowohl in Israel als auch in Gaza.“
Das Netzwerk Friedenskooperative in Deutschland hat am 11. Oktober ein Statement „Für ein Ende der Gewalt und eine Rückkehr zu mehr Menschlichkeit“ veröffentlicht:
Das Netzwerk Friedenskooperative verurteilt den Angriff der Hamas auf die Menschen in Israel und ruft alle Akteur*innen zur Deeskalation auf. Die Bilder und Ereignisse erfüllen uns mit großer Trauer. Bereits jetzt gibt es auf beiden Seiten mehrere hundert Tote zu beklagen und in den nächsten Tagen wird diese Zahl noch weiter steigen.
Es gilt, wie für alle bewaffneten Konflikte, dass Zivilist*innen nicht angegriffen, entführt und ermordet werden dürfen. Nichts rechtfertigt diese Gewalt.
Gleichzeitig erschüttert uns die Reaktion Israels gegenüber den Palästinenser*innen, insbesondere in Gaza. Die vollständige Blockade Gazas wird katastrophale humanitäre Konsequenzen haben.
Auf Gewalt folgt immer Gewalt und somit entsteht ein Teufelskreislauf der blinden, wahllosen Rache. Die Eskalation der Gewalt führt nicht zu Frieden, sondern immer weiter fort von einem Frieden in der Region. Wir rufen dazu auf, endlich Wege zu finden, die sich immer wiederholende Gewalt zu durchbrechen. Dazu gehört auch, die Ursachen des Konfliktes sowie den Kontext klar zu benennen, um die Wurzeln des Konfliktes bearbeiten zu können.
An dieser Stelle gibt es keine politische Analyse, sondern einen Aufruf zur Menschlichkeit. Wir möchten der Entmenschlichung entgegenwirken. Denn die größten Leidtragenden sind wie immer die Zivilist*innen. Ihnen gilt unsere uneingeschränkte Solidarität – in Israel und Palästina. Gerade deswegen ist es wichtig, Räume des Dialogs aufrechtzuerhalten.
Unser Standpunkt ist hierbei eindeutig: Jeder Mensch hat ein Leben in Sicherheit und Freiheit verdient. Dies ist nicht der Zeitpunkt, um das Leid der einen oder anderen Seite zu instrumentalisieren.
Netzwerk Friedenskooperative
Abschließend noch ein Zitat von Fuad (anonymisiert) vom Arab Educational Institute (AEI-Pax Christi):
Wir haben es satt, Zeug:innen von Morden, Bombenanschlägen, Gräueltaten, Leid, Schmerz, Angst und Gesetzlosigkeit an allen Fronten zu sein. Wir haben es satt. Seien wir alle davon überzeugt, dass Gewalt Gewalt erzeugt und dass eine fortgesetzte Besatzung und Verfolgung niemals zu Gerechtigkeit, Frieden, Sicherheit und Versöhnung für alle führen wird. Die Botschaft ist klar: Gewalt erzeugt Gewalt, und es ist an der Zeit, diesen zerstörerischen Kreislauf zu durchbrechen.
Die dringlichsten aktuellen Anliegen zur kurzfristigen Linderung der Not sehen wir in folgenden Maßnahmen
- Aushandlung eines Waffenstillstands
- Freilassung von Geiseln
- Schaffung von Humanitären Korridoren für die flüchtende Bevölkerung & Hilfslieferungen
- Fortsetzung von humanitären und Entwicklungshilfeprogrammen von Österreich
Weitere Hinweise
Updates & Hintergrundinformationen
Das Spinnrad 4/2024 wird als Schwerpunkt die Gewalteskalation im Nahen Osten, die Situation in Israel und Palästina haben. Es erscheint Ende November.
Gratis Einzelexemplare zur Probe können per E-mail an office@versoehnungsbund.at bestellt werden. Für regelmäßige Nachrichten zu Gewaltfreiheit, Frieden und Analysen zu Krisengebieten kann direkt hier auf der Website ein Abonnement abgeschlossen werden.